Von Frankreich in Le Havre festgesetzt: Der britische Fischkutter Cornelis Gert Jan

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London/Paris – Die Zeit für eine Lösung im Fischereistreit zwischen Frankreich und Großbritannien wird knapp. An diesem Dienstag läuft eine von Paris gesetzte Frist ab. Die Regierung hat scharfe Maßnahmen angekündigt, falls London bis dahin nicht mehr französischen Fischern eine Fanglizenz für britische Gewässer erteilt. Doch die britische Außenministerin Liz Truss sagte am Montag, ihr Land werde nicht nachgeben.

Truss nannte die französischen Drohungen unfair und kündigte juristische Schritte als Gegenmaßnahme an. "Dieses Problem muss innerhalb der nächsten 48 Stunden gelöst sein", sagte Truss dem Sender Sky News. "Hört auf, britischen Fischerbooten zu drohen. Hört auf, den Kanalhäfen zu drohen. Und akzeptiert, dass wir völlig im Recht sind, Fischereilizenzen im Einklange mit dem Handelsvertrag zu vergeben", sagte Truss. Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson wollte die Aussagen aber nicht als britisches Ultimatum verstanden wissen. Truss habe auf die französische Frist Bezug genommen.

Folgen des EU-Austritts

Paris wirft London vor, französische Fischer bei der Erlaubnis zum Fang in britischen Gewässern aus politischen Gründen zu benachteiligen. Frankreich hat angekündigt, einige Häfen für britische Boote zu sperren und Fischer aus dem Vereinigten Königreich schärfer zu kontrollieren, falls es keine Einigung gibt. Auch Lastwagen sollen genauer überprüft werden. London weist die Anschuldigungen zurück und droht mit Gegenmaßnahmen, die die ganze EU betreffen würden.

Der Streit überschattet den Beginn des Klimagipfels COP26 in Glasgow und belastet auch die EU. Die 27 verbliebenen Mitgliedstaaten sprechen in Brexit-Fragen bisher mit einer Stimme. Dass London das Verhältnis mit einem bilateralen Streit über ein verhältnismäßig unbedeutendes Thema auf Spiel setzt, wird in Brüssel als gefährlich empfunden.

In Glasgow begrüßte Gastgeber Johnson den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zunächst lächelnd, beide blickten aber schnell sehr ernst. Macron hatte am Sonntagabend betont, der Ball liege auf der britischen Seite. "Falls die Briten keine wesentlichen Schritte unternehmen, müssen vom 2. November an Maßnahmen ergriffen werden."Nach britischen Angaben geht es um einige Dutzend französische Boote, die keine Fischereilizenz erhalten haben, weil sie die verlangten Nachweise nicht erbringen konnten. Vor einigen Tagen hatte Frankreich ein britisches Boot in Le Havre festgesetzt.

Bewaffnete zündeten Bus an

Tragische Nachwirkungen des Brexit-Deals zeigen sich auch in Nordirland. In Newtonwards östlich von Belfast haben mutmaßliche radikale Anhänger der Union mit Großbritannien einen Bus gestürmt und in Brand gesetzt. Zwei maskierte und bewaffnete Männer hätten den Doppeldeckerbus am Montag früh angehalten und Benzin darin verschüttet, berichtete die Zeitung "Belfast Telegraph". Passagiere waren nicht an Bord, der Fahrer konnte sich in Sicherheit bringen.

Die Attacke wirft ein Schlaglicht auf den Streit um Brexit-Sonderregeln für die britische Provinz – das sogenannte Nordirland-Protokoll. Die nordirische Infrastrukturministerin Nichola Mallon sagte der BBC, die Angreifer hätten "etwas über das Protokoll gebrummt", als sie den Fahrer mit einer Waffe bedrohten. Wie verschiedene Medien berichteten, wollten radikale Loyalisten mit der Tat darauf hinweisen, dass am Montag eine Frist der protestantischen-unionistischen Partei DUP verstrich. Die DUP droht damit, aus der Einheitsregierung mit der katholisch-republikanischen Partei Sinn Fein auszusteigen, falls es keine gravierenden Änderungen des Nordirland-Protokolls gibt. Die DUP sowie die ebenfalls loyalistische UUP verurteilten die Tat.

Streit um Grenze

Das Protokoll soll sicherstellen, dass es nach dem Brexit keine harte Grenze zu Irland gibt und damit neue Konflikte in der früheren Bürgerkriegsregion vermieden werden. Allerdings kam es dadurch zu einer Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs. Unionisten fordern die Abschaffung des Protokolls, weil sie Handelshemmnisse und eine Entfremdung fürchten. Im April kam es deshalb bereits zu tagelangen Krawallen überwiegend protestantischer Loyalisten (APA, 1.11.2021)