Sabin Tambrea als "Freemee"-Chef Carl Montik.

Foto: WDR/Volker Rolof

Heike Makatsch als Aufdeckerjournalistin Cynthia Bonsant.

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Am Ende doch ein Team: Viola (Luise Emilie Tschersich) mit Mama Cynthia.

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Es ist nicht mehr das eigene Gewissen oder das eigene Denken, das uns sagt, was zu tun ist. In der nahen Zukunft, in der der ARD-Film Zero – Mittwoch im Hauptabendprogramm um 20.15 Uhr – spielt, ist es eine App, die uns Entscheidungen abnimmt. Diese "Act-App" sorgt für Pluspunkte bei vermeintlich gutem Verhalten, belohnt uns mit hohem sozialen Ranking oder bestraft mit Abzügen, wenn man etwas macht, das dem Algorithmus nicht in sein künstliches Konzept passt.

Die Macht der Algorithmen

Solche Utopien oder – je nach Betrachtungswinkel – Dystopien sind nicht neu und wurden schon in Serien wie Black Mirror kunstvoll abgehandelt. Zero basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Marc Elsberg aus dem Jahr 2014, der sich dieser Thematik annimmt. Im Kern geht es um die Fragen, welche Daten wir den globalen Internetriesen hinterlassen und im Netz preisgeben und wie viel Macht wir so den Algorithmen geben. Aber vor allem, ob uns bewusst ist, was Datensammler mit diesem Wissen anstellen oder anstellen könnten und wem diese Daten von Nutzen sind.

Netzaktivisten im Hoodie

In der Verfilmung des Romans spielt Heike Makatsch die Investigativjournalistin Cynthia Bonsant, die nach einer längeren beruflichen Pause – sie war mit der Pflege ihres kranken Mannes beschäftigt – wieder im Journalismus Fuß fassen will und beim Onlinemagazin Daily anheuert. Von ihrem überengagierten Chef Tony Brenner (Axel Stein) wird sie vom Fleck weg engagiert, sie war sozusagen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Denn just als sie ihren künftigen Boss von ihren Vorzügen überzeugen will, wird ein geheimes Treffen zwischen Carl Montik (Sabin Tambrea), er ist Vorstandsmitglied des Internetkonzerns Freemee, und Regierungsmitgliedern publik, Drohnen filmen das Geschehen, übertragen es live.

Verantwortlich für diese Drohnenattacke ist die anonyme Netzaktivistengruppe Zero, ihr Gründer trägt stilecht immer einen Hoodie. Vom Verfassungsschutz wird Zero als terroristische Organisation eingestuft.

Und schon ist Cynthia mitten in den Recherchen, die sie mittels Videoblog mit ihren Userinnen und Usern teilt. Immer tiefer taucht sie ein in die Machenschaften von Freemee, jenem Unternehmen, das die Act-App erfunden und immer weiter optimiert hat.

Verbindung zum Gehirn

Die App gibt Empfehlungen und Handlungsanweisungen, kann trösten und verspricht, Nutzer zu glücklicheren Menschen zu machen. Das idealistische Ziel von Firmengründer Montik, uns zu besseren Menschen zu machen, geht freilich nicht auf. Die App, die mittlerweile vor allem von der wichtigen jugendlichen Zielgruppe wie selbstverständlich genutzt wird, ist natürlich für (macht-)politische Zwecke interessant. Weil sie sich perfekt dafür eignet, Menschen zu manipulieren oder zumindest zu kontrollieren. Stichwort Message-Control. Und dann gibt es da noch die Datenbrille als Verbindung zwischen Gehirn und Smartphone, die Informationen über Menschen einblendet, denen man begegnet.

Als ein Freund von Cynthias Tochter Viola (Luise Emilie Tschersich) ermordet wird, ist sich Cynthia sicher, dass Freemee mitverantwortlich für den Tod des Jungen ist. Für ihre altmodische Skepsis gegenüber den neumodischen Devices wird sie von Viola belächelt. Aber freilich muss Cynthia die Gadgets ausprobieren, über die sie recherchiert.

Damit das Ganze für die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht allzu technisch wird, haben Drehbuchautor Johannes Betz und Regisseur Jochen Alexander Freydank teilweise allzu tief in die emotionale Schmalzkiste gegriffen und dem Mutter-Tochter-Konflikt viel Raum gegeben. Und als Cynthia sich dann von der App auch noch trösten lässt und als Avatar ihren verstorbenen Mann wählt, wird es so richtig kitschig. (Astrid Ebenführer, 3.11.2021)