Viele Teilnehmer, wenig Elan. Trotz schlimmer Szenarien lief die COP 26-Konferenz in Glasgow inhaltlich zögerlich an.

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Pinguin ohne Zukunft, Eisbären mit Schwimmwesten: Am Ausstellungsstand von Tuvalu gibt es wenig Optimismus.

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Drastische Worte fand am Sonntag Patricia Espinosa, die Klimachefin der Vereinten Nationen. Ein "Weiter so" beim Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase komme einer "Investition in unsere eigene Auslöschung" gleich, sagte sie zum Auftakt der Weltklimakonferenz (COP 26). Wie real die Bedrohung der Erderwärmung etwa durch steigende Meeresspiegel für manche Länder bereits sei, betonte Surangel Whipps Jr., Präsident des Inselstaats Palau, am Montag: "Wenn diese Inseln untergehen, haben wir die Kultur, die Sprache, die Identität der Menschen verloren." Und: Natürlich könne man Leute nach Schanghai oder in die USA übersiedeln, aber ein eigenes Volk mit eigener Kultur wären sie dann nicht mehr.

Nicht nur für Palau geht es in den kommenden Tagen um viel. In der schottischen Industriestadt Glasgow verhandeln Expertinnen und Experten mit Regierungsvertretern unzähliger Staaten, wie das einst in Paris festgelegte Ziel, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit einzuhegen, erreicht werden kann.

Am Montag lieferten die wichtigsten Teilnehmenden ihre Eröffnungsreden ab, auch Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) war angereist. An großen Worten fehlte es nicht. UN-Generalsekretär António Guterres sah die Welt an jenem Grab stehen, das sie sich selbst geschaufelt habe. Der britische Premier Boris Johnson rief zur Entschärfung einer metaphorischen Bombe auf, US-Präsident Joe Biden sah die Welt "am Wendepunkt". Konkrete Taten sind aber noch nicht absehbar. Aber das kann sich bis zum Ende am 12. November ja noch ändern.

Hohe Hürden

Die Hürden für eine Einigung auf konkrete und – vor allem – ausreichende Maßnahmen sind allerdings sehr hoch. Zwar herrscht längst Konsens darüber, dass die Erderwärmung menschengemacht ist und möglichst eingebremst werden sollte – aber längst nicht alle Staaten stehen vor derselben unmittelbaren Bedrohung wie das kleine, flache und von Pazifik umgegebene Palau.

So zeigten geleakte Dokumente im Vorfeld der Klimakonferenz, dass sich etwa Australien, das um seine Geschäfte mit Kohleexporten bangt, und das Ölland Saudi-Arabien um eine Abschwächung der Klimaziele bemühen.

Erschwerend kommt hinzu, dass mit Xi Jinping der Präsident des weltweit größten CO2-Emittenten erst gar nicht zur Weltklimakonferenz anreist. Ihn hindert nach eigener Aussage ebenso wie den russischen Präsidenten Wladimir Putin die Corona-Pandemie an der Reise. Das erscheint glaubhaft, allerdings zeigt ein weiterer Punkt, dass es nicht alleine um Corona gehen dürfte. Chinas Präsident scheint nämlich auch nicht als Redner auf: Anstatt sich online zuschalten zu lassen, will er sich schriftlich an den Gipfel wenden.

Industriestaaten in der Pflicht

China bekennt sich zwar zu den Klimazielen, aber nicht auf Kosten der eigenen Energiesicherheit und auch nicht auf Kosten der Wohlstandsversprechen an die Bevölkerung. Xi betonte in seiner Botschaft, dass Schwellenländer nicht die volle Last der Klimapolitik stemmen können, es brauche finanzielle wie technologische Unterstützung der Industriestaaten. Ähnlich sieht das im Übrigen auch Indien, ebenfalls ein großer – aber im Vergleich zu China noch ärmerer – Verschmutzer, dessen Energiesektor stark kohleabhängig ist.

Dabei sind ohne China und Russland die internationalen Bemühungen, die Klimakrise zu bewältigen, infrage gestellt: Mit 27,9 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ist China mit Abstand größter Verursacher von Treibhausgasen; Russland wiederum zählt zu den wichtigsten Produzenten von Erdgas und Erdöl und ist wirtschaftlich von diesen fossilen Energieträgern abhängig.

Wie schlecht der Stern ist, unter dem das alles steht, hatte sich zuvor schon beim Gipfel der G20 in Rom gezeigt, wo sich die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt eigentlich für den COP 26 aufwärmen und schon einmal die ersten gemeinsamen Ziele beschließen wollten. Aber auch hier zeigte sich: Ohne Russland und China, vielleicht auch ohne das persönliche Gespräch mit den Staats- und Regierungschefs dieser Länder, war zunächst wenig zu erreichen.

Elastische Formulierungen

Immerhin haben sich die Gipfelteilnehmer dann in der Abschlusserklärung in allgemeiner Form zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens bekannt; die G20-Staaten, die allein für 80 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, bekräftigten das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Aber in Rom ist der ursprüngliche Entwurf der italienischen G20-Präsidentschaft an entscheidenden Stellen abgeschwächt worden: In der Erklärung konnte man sich nicht einmal mehr auf ein "sofortiges Handeln" einigen. Stattdessen ist von "bedeutungsvollem und wirksamem Handeln" die Rede. Im Schlussdokument sollte zunächst auch ein Datum für das Erreichen von Netto-Null-Emissionen festgeschrieben werden: bis 2050. Am Ende blieb aber nur noch die elastische Formulierung "bis oder um die Mitte des Jahrhunderts".

Zum Nebenschauplatz wurden da schon fast die anderen Themen des Gipfels. In der Abschlusserklärung verpflichten sich die Teilnehmer zum Ziel, bis Ende 2021 weltweit eine Durchimpfung von 40 Prozent und bis Ende Juni 2022 von 70 Prozent zu erreichen. Damit bekräftigen sie das Ziel der WHO, die die gleichen Zahlen anstrebt. Auch hier aber liegt der Teufel in einigen nicht ganz kleinen Details: Es ist völlig unklar, wie das Ziel erreicht werden soll.

Das konkreteste Ergebnis des Römer G20-Gipfels ist denn auch jenes, von dem am wenigsten geredet wird: Die Teilnehmer haben sich auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für international tätige Großunternehmen geeinigt, Joe Biden versuchte das Verhältnis zu Frankreich zu reparieren, und die USA kamen Europa bei Stahl- und Aluminiumzöllen entgegen. Und immerhin hat man wieder einmal miteinander geredet. Vor allem dem Verhältnis der beim Gipfel persönlich Anwesenden dürfte das geholfen haben – womöglich auch auf Kosten der Eintracht mit Russland und China.

Forschende sind pessimistisch

Geht sich aber das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad noch aus? Experten des Weltklimarats (IPCC) zeigen sich in einer Umfrage pessimistisch. Nur vier Prozent halten das bisherige Ziel für erreichbar, und auch nur 20 Prozent glauben, dass die Erderwärmung wenigstens bei unter zwei Grad bleiben wird können.

Rund 60 Prozent der Wissenschafterinnen und Wissenschafter gehen vielmehr davon aus, dass sich die Atmosphäre bis Ende des Jahrhunderts um mehr als drei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmen wird. Dass es neue Zugeständnisse brauchen wird, zeigt eine andere Rechnung: Halten alle Staaten dieser Welt nur die bisher schon fix und konkret zugesagten Maßnahmen ein, so erwärmt sich die Erde bis Ende des Jahrhunderts um sage und schreibe 2,7 Grad. (Manuel Escher, Dominik Straub aus Rom, Aloysius Widmann, 2.11.2021)