Berief sich aufs Redaktionsgeheimnis: Mario Kunaseks FPÖ-Landtagsklub in der Steiermark.

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Die Staatsanwaltschaft Graz hat alle Ermittlungen nach der Veröffentlichung eines Anti-Roma-Video wegen des Verdachts der Verhetzung abgebrochen. Bereits bekannt war, dass sich der steirische FPÖ-Vizeklubobmann Stefan Hermann, der das mutmaßlich verhetzende Video im Juli des vergangenen Jahres verbreitet hatte, auf seine Immunität als Landtagsabgeordneter berief. In dem Video wurden Roma und Sinti, die zum damaligen Zeitpunkt bei Tulln campierten, wüst beschimpft. Weil auch die steirische FPÖ das Video auf Facebook teilte, versuchten die Behörden, die Verantwortlichen ausfindig zu machen. Ohne Erfolg: Die FPÖ Steiermark berief sich auf das Redaktionsgeheimnis, wie die Staatsanwaltschaft dem STANDARD bestätigte. Die Ermittlungen wurden deshalb mit Genehmigung der Oberstaatsanwaltschaft Graz temporär abgebrochen – bis es neue Ermittlungsansätze gibt. Ein Anfangsverdacht sei vorhanden, so die Behörde.

Das Redaktionsgeheimnis gilt in Österreich absolut und ist weitreichend. Quasi jeder Auftritt einer Person oder einer Organisation in sozialen Medien gilt als Medium. Als Medieninhaber ist man zwar für den Inhalt seiner Seite verantwortlich, das Redaktionsgeheimnis laut § 31 Mediengesetz berechtigt aber dazu, vor Behörden die Beantwortung von Fragen zu verweigern, die auch den Verfasser von Beiträgen betreffen. Im Falle strafrechtlicher Ermittlungen braucht es normalerweise den Verfasser eines Beitrags als konkreten Tatverdächtigen. Das Medium und seine Verantwortlichen – in diesem Fall der Obmann des freiheitlichen Landtagsklubs, Mario Kunasek, sowie der Landesgeschäftsführer der FPÖ, Anton Kogler – müssen diesen aber nicht preisgeben, sofern sie sich auf das Redaktionsgeheimnis berufen.

SOS Mitmensch fordert Haftung von FPÖ

Die Menschrechts-NGO SOS Mitmensch, die das Verfahren durch eine Anzeige ins Rollen gebracht hatte, zeigte sich über die Entscheidung der Behörden entsetzt. Diese würde "Tür und Tor öffnen, dass politische Parteien auf ihren Social-Media-Kanälen mutmaßlich Verhetzung betreiben und sich dann hinter dem Redaktionsgeheimnis verstecken können", sagt Sprecher Alexander Pollak.

Parteien hätten eine besondere Verantwortung, deshalb fordert Pollak von den Behörden, genau zu prüfen, ob eine Verbandsverantwortlichkeit der FPÖ vorliege. Seine NGO habe eine Ergänzung zu ihrer Sachverhaltsdarstellung eingebracht. Aus Sicht von SOS Mitmensch hätte die Partei durch das Posting sehr wohl profitiert – eine Voraussetzung dafür, einen Verband verantwortlich machen zu können. Der Zweck sei gewesen, Stimmen von Wählerinnen und Wählern zu lukrieren, sagt Pollak.

Die FPÖ Steiermark sieht darin "Anwürfe einer sehr weit links stehenden Organisation in Wien", gegen die man sich zu Wehr setzen werde. Man habe lediglich das Video eines "Wutbürgers" geteilt.

Grazer FPÖ-Plakat nicht verhetzend

Keinen Anfangsverdacht sah die Staatsanwaltschaft Graz bei einem Sujet der Freiheitlichen, das sie für den Gemeinderatswahlkampf im September plakatierten. Im großformatigen Schwarz-Weiß-Bild waren flüchtende Männer zu sehen, deren Augen mit schwarzen Balken verdeckt. "Graz ist nicht eure Heimat", stand darauf in dicken weißen Lettern, "garantiert!". Die Staatsanwaltschaft bestätigt dem STANDARD, dass es "mehrere Anzeigen" wegen des Verdachts der Verhetzung gegeben habe. Mit Genehmigung der Oberstaatsanwaltschaft habe man aber von Ermittlungshandlungen abgesehen.

Dieses Plakat der FPÖ sorgte im Grazer Gemeinderatswahlkampf für heftige Kritik.
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Das Plakat sorgte für heftige Kritik. Der Grazer Menschenrechtsbeirat, der den Wahlkampf aus menschrechtlicher Perspektive für den Stadtsenat beobachtete, gab den Freiheitlichen dafür eine "rote Ampel" – als einziger Partei im Wahlkampf. Das Plakatierte sei "kommunalpolitisch nicht relevant", "abwertend und ausgrenzend" gewesen, hieß es in der Begründung. Der FPÖ-Klubobmann in Graz, Armin Sippel, sprach damals von "politischer Zensur". Mittlerweile kündigten Sippel und Noch-Vizebürgermeister Mario Eustacchio ihren Rücktritt an, nach mehreren Enthüllungen rund um Extragagen. (Laurin Lorenz, 3.11.2021)