Vor einigen Wochen machte in Deutschland ein gewisser Tilman Kuban von sich reden. Der Vorsitzende der Jungen Union, Jahrgang 1987, hatte nämlich einen besonderen Einfall. Er verschenkte an seine älteren Parteikollegen öffentlichkeitswirksam weiße Sneaker – genauer: an Friedrich Merz, an Paul Ziemiak und an Markus Blume, die Generalsekretäre von CDU und CSU. Seine Rechnung ging erst einmal auf. Die Herren, die normalerweise schwarze Lederschuhe tragen, nahmen die Geschenke an. Plötzlich standen sie in weißen Sneakern auf dem Podium. Da, wo normalerweise ein Markenlogo sitzt, prangten die Deutschland-Farben. Die "schuhgewordene Reinlichkeitsfantasie" (so die "Zeit") ist spätestens hiermit in den konservativen Reihen angekommen.

Den Politikern war die Begeisterung in die Gesichter geschrieben: Mensch, wir sind wieder jung! Friedrich Merz schien sich in der Sekunde wie ein dynamischer Start-up-Unternehmer oder das jugendliche Mitglied einer Werbeagentur zu fühlen. Er streckte begeistert den Daumen in die Höhe. Subtext der Bilder: Endlich Aufbruch, gemeinsam schaffen wir das! Die Aktion? Die Generation Z würde mit den Augen rollen: echter CDU-Cringe. Oder um es in anderen Worten zu sagen: Alles in allem so überzeugend wie vor gut zehn Jahren die Geilomobil-Jugendkampagne des Sebastian Kurz.

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Ganz in Weiß: Friedrich Merz strahlt mit den Sneakern, die ihm Tilman Kuban übergab, um die Wette.
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Angesichts der Bilder vom Deutschlandtag der Jungen Union muss man sich nun ernsthaft die Frage stellen: Wer will jetzt noch blank geputztes weißes Leder tragen?

Tilman Kuban (Mitte) freut sich, dass sein Geschenk auch bei ihnen ankam: Paul Ziemiak und Markus Blume, die Generalsekretäre von CDU und CSU, zogen seine Sneaker an.
Foto: imago images/Political-Moments

Die Zeiten, in denen der Grüne Joschka Fischer anlässlich seiner Vereidigung zum hessischen Umweltminister "schneeweiße Nike-Turnschuhe zu 149,90 Mark" (wie der "Spiegel" damals süffisant bemerkte) trug und die politische Konkurrenz auf die Palme brachte, sind längst Geschichte. Nach der Eroberung der Modewelt (2015 befeuerte Designerin Phoebe Philo den Boom des hellen Stan-Smith-Modells von Adidas) ist der schneeweiße Sneaker nun bei jenen angekommen, die ihn als "jugendlichen Freizeitschuh" und als Ausweis absoluter Reinlichkeit tragen.

Und ja, der helle Sneaker wird längst über politische Grenzen hinweg angezogen. Um das festzustellen, muss man nicht lange recherchieren oder an den Modellen des Gesundheitsministers hängen bleiben. Sigrid Maurer trug sie 2019 im Straflandesgericht Wien, Beate Meinl-Reisinger feierte in ihnen den Einzug der Neos in den oberösterreichischen Landtag.

Sigrid Maurer trägt sie 2019 im Straflandesgericht Wien.
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Ein Blick auf das Schuhwerk ihrer Kollegen und Kolleginnen macht klar: Bei den Liberalen scheint der weiße Sneaker fix zur Garnitur zu gehören. Sie sahen in etwa so sauber aus wie beim ersten Schultag.

Kein Wunder, dass woanders wieder die abgetretenen Modelle hochgehalten werden. Der Berliner Concept-Store Voo zeigte unlängst auf Instagram ein acht Jahre altes, sichtbar gealtertes Air-Force-Modell von Nike vor: Es fällt glücklicherweise schwer, sich Friedrich Merz und Kollegen in diesen Schuhen vorzustellen. (Anne Feldkamp, 4.11.2021)