Dirigentin Marin Alsop und das ORF-RSO-Wien eröffneten fulminant das Festival Wien Modern.

Nun findet also das potenziell Ungewöhnliche endlich wieder unter realen, also quasi freiwillig maskierten "normalen" Bedingungen statt. Das Festival Wien Modern, das 2020 um sein Livedasein streammäßig kämpfen musste, animiert zu Beginn sogar zur Mobilität.

Im Foyer des Konzerthauses setzt der Besuche Kopfhörer auf und ist bald mitten in einer von Fennesz kreierten Klanglandschaft, die in begehbare Zonen eingeteilt ist. Area lässt beim Wanderer (mithilfe von Nous Sonic) den Eindruck entstehen, er würde in einem Musikaquarium akustisch umgarnt und verzaubert und auch auf Kommendes vorbereitet.

Musiklava der Streicher

Nach der kontemplativen Erfahrung geht es später in den großen Saal, wo das RSO Wien Milica Djordjevićs Sky limited als Energiezone, gebildet aus diversen Streichergesten, präsentiert. Teils mit Extremvibrato versehene Töne erlangen durch tiefe Klangschichten eine zweite Ebene. Später scheinen sich aggressive Gesten in einen lavaartigen Musikstrom hineinzubohren, bis das Ganze in einen Glissandorausch mündet.

Thomas Wallys Utopia I: Seltsame Schleifen braucht diese Gestik nicht in solch einem Ausmaß. Das kurz ironisch auch mit historischen Stilen verschmelzende und spielende Stück für Trompete und Orchester bietet einen fulminanten kontrapunktisch brodelnden Dialog des von Marin Alsop geleiteten Orchesters und der glänzenden Solistin Selina Ott.

Eine Art Dehnung

Christian Ofenbauers Satyrspiel, als finaler Teil seiner antiken Tetralogie, tendierte hernach eher zu einer durch repetitive Strukturen dominierten Poesie. Ofenbauers originelle Pointe besteht darin, hier auf Worte und Gesang zu verzichten und stattdessen komplex durchbrochene, instrumentale Entschleunigung zu zelebrieren.

Das Stück erweckt den Eindruck einer durch variierte Wiederholung erreichten Dehnung eines ausklingenden, endenden Werkes. Interessanter Ansatz. Andrea Sodomkas Unschärfe. Kristallklar, eine Art parallel laufende Raumkomposition, ließ da eher ratlos zurück – ob der fehlenden Farbdynamik. Es hatte leider etwas Beiläufiges. Bis 30.11.

(Ljubiša Tošić, 2.11.2021)