"Die Beine noch ein Stück vor, Schuhe bitte wieder anziehen." Greta Elisa Hofer, ganz in Blau, von der Wimperntusche bis zur Strumpfhose, sitzt auf dem Boden des Fotostudios auf einem Stück Papier. Der Fotograf gibt Anweisungen, drückt immer wieder auf den Auslöser, klick, klick, klick.

Mit der Gelassenheit eines Profis bewegt sich die Tirolerin vor der Kamera. Hofer hat sich in kürzester Zeit einen Namen gemacht. Das Model mit den streichholzkurzen Haaren gilt in der Modelbranche als Senkrechtstarterin.

1. Heimspiel: Der Fotograf Yannick Schütte und der Stylist Simon Winkelmüller haben Model Greta Elisa Hofer in ihrer WG in Wien, im Park und im Studio inszeniert.
Foto: Yannick Schütte
2. Blau, blau, blau sind alle ihre Kleider. Auf ihren eigenen Kleiderkasten trifft das nicht ganz zu, aber Greta war der Meinung: Meine Lieblingsfarbe sollte zu meiner Augenfarbe passen.
Foto: Yannick Schütte

Das ist umso bemerkenswerter, da die 21-Jährige aus Steinach am Brenner erst im vergangenen Jahr entdeckt wurde. Und das trotz Pandemie. Wenig später wurde die Studentin (der Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft) nach Mailand zu einem Prada-Casting eingeladen und gleich für die Frühjahrskampagne 2021 gebucht, für sechs Monate wurde sie von der Luxusmarke exklusiv verpflichtet.

Die Kampagne war Hofers Eintrittskarte in die internationale Welt der Mode. In einer Kunstgeschichte-Vorlesung ist die Tirolerin schon länger nicht mehr gesessen, dafür war sie inzwischen bei Willkommen Österreich zu Gast, mit Lukas Resetarits.

Beruflich läuft es rund für die Österreicherin. Sie war im Mai auf dem Titel der italienischen Vogue zu sehen, in Paris ist sie zuletzt eine Show nach der anderen gelaufen. Dior, Valentino, Hermès – in 17 Schauen trat das Model mit dem markanten Kurzhaarschnitt in dieser Saison auf. Einen Monat lang war die 21-Jährige auf Achse, es blieb kaum Zeit für die üblichen Telefonsessions mit den Eltern, den beiden älteren Schwestern und den Tanten.


3. Endlich Zeit zum Ausruhen! Einen Monat lang war Hofer in der Weltgeschichte unterwegs. Das Sofa für die Dreier-WG ist ein Secondhandstück.
Foto: Yannick Schütte

Erst zwei Tage vor dem RONDO-Shooting ist sie wieder in Wien gelandet. Einen Termin zu finden, war gar nicht so einfach. "Das Modeln wird oft romantisiert", Hofer spricht ruhig und überlegt. "Viele übersehen, dass der Job anstrengend ist. Man ist ständig unterwegs und verbringt viel Zeit allein in Hotels." Auch sie habe sich die Fashionweeks unterhaltsamer vorgestellt: "Tatsächlich mag kaum ein Model diese Wochen."

Drei Farben Blau

Das blaue Bild ist jetzt im Kasten, Fotograf und Stylist wollten Greta Elisa Hofer in ihrer Lieblingsfarbe festhalten. Die habe sie zwar nicht so recht, aber zu ihren blauen Augen müsste die Farbe doch ganz gut passen, grinst die 21-Jährige und beißt in ein Weckerl mit vegetarischem Aufstrich.

Hofer sitzt an diesem Morgen in einem Fotostudio im sechsten Bezirk. Wenige Meter Luftlinie entfernt wird sie später in einem Jumpsuit von Undercover auf einem Secondhandsofa in ihrer 3er-WG posieren.

Dann geht es in den Auer-Welsbach-Park: Hofer lugt durch ein gelöchertes Kleid von Issey Miyake und schlüpft in österreichische Mode, einen Blazer von Christoph Rumpf und einen Rock von Larissa Falk.

4. Filmstar kann Greta Elisa Hofer auch!
Foto: Yannick Schütte
5. Versteck spielen im Auer-Welsbach-Park.
Foto: Yannick Schütte

"Viele träumen von einer Modelkarriere, ich hatte diesen Traum nie", sagt sie. Die Österreicherin wurde auf Instagram gescoutet, ohne dass sie etwas dazu tun musste.

Andreas Kranebitter von der Innsbrucker Agentur SP Models wurde auf dem Profil eines Bekannten auf die fotogene Tirolerin aufmerksam. Man traf einander, seither organisiert er ihren Terminkalender.

6. Blazer von Christoph Rumpf und Rock von Larissa Falk
Foto: Yannick Schütte
7. Als Teenager versteckte sie sich hinter ihren langen Haaren, mit 17 schnitt Greta Elisa Hofer sie sich kurzerhand selbst ab. Rückblickend sei das eine der besten Entscheidungen gewesen, sagt sie heute. Hier steht sie vor einem Buntglasfenster in ihrer Wiener WG im sechsten Wiener Gemeindebezirk.
Foto: Yannick Schütte

Der ist gut gefüllt. Verantwortlich dafür: ihre ernsthafte Ausstrahlung, ihr "supermoderner Look", so Kranebitter. Hofer, 1,75 Meter groß, Größe 34, entspricht aber auch dem schmalen Körperideal der Modeindustrie. "Ich habe das Glück, dass ich essen kann, was ich will, und nicht zunehme." Dass es nicht alle Models so leicht haben, weiß sie. Viele stünden unter enormem Druck, manche zerbrächen an den Anforderungen.

8. Normalerweise halten Models als Leinwand her: Designer und Marken projizieren ihre Visionen auf sie. In diesem Shooting griff Greta selbst zum Pinsel. Sie bemalte ein Baumwollkleid der Berliner Künstlerin Maryam Keyhani. Vielleicht wird das Stück ja mal ein Sammlerteil?
Foto: Yannick Schütte

Das Thema Body-Positivity mag in aller Munde sein, während der Modewochen in Mailand oder Paris ist von diversen Körpergroßen wenig zu sehen. "Auf den Laufstegen sollten alle Körpertypen vertreten sein. Das ist leider bei weitem nicht der Fall", findet auch Hofer.

Die meisten Marken setzten in den Shows auf dünne Models, dazu würden dann ein paar Curvy Models gebucht. "Das dazwischen fehlt."

9. Erste Farbspuren auf dem Kleid von Kleid Maryam Keyhani ...
Foto: Yannick Schütte

Bei der Präsentation der Marke Alexander McQueen einige Tage zuvor in London war das Casting diverser. Ihre Lieblingsshow sei das gewesen, sagt die 21-Jährige. Das Setting: ein transparentes Kuppelzelt, das der chilenische Architekt Smiljan Radic für das Dach einer Parkgarage entworfen hat.

"Der schönste Moment war", erinnert sich Hofer, "als ich während der Probe neben all den Leuten auf dem Dach stand. Endlich hatte ich Zeit zu reflektieren: Wie crazy ist mein Leben!" Wie es sich für eine Vertreterin der Generation Z gehört, sind Hofers Antworten gespickt mit Anglizismen.

10. ...und noch mehr ...
Foto: Yannick Schütte

"Designerin Sarah Burton war irgendwie wie meine Tante, nach dem Walk wurde geklatscht und gejubelt, Naomi Campbell kam rein, und es wurden Tränen vergossen." Für solche Momente, sagt sie, lohnten sich die Anstrengungen. Manchmal klingt die Tirolerin schon richtig abgeklärt.

Von jener vergangenen Modesaison erzählt auch Greta Elisa Hofers Instagram-Account. Etwa 6600 Menschen folgen ihr bislang, ein Social-Media-Star ist die 21-Jährige nicht. Das sei für ihre Jobs nie entscheidend gewesen: "Die Marken haben die Sedcards der Models vor sich liegen, nicht die Follower-Zahlen."

11. ...wenn schon Farbe, dann richtig!
Foto: Yannick Schütte

Weil sie die Plattform nicht sonderlich möge, sei sie froh darüber. Ganz ohne Social-Media-Präsenz geht es natürlich trotzdem nicht. Zwischen Bildern für den Retailer Zara oder Backstage-Fotos aus Mailand zeigt sich die Tirolerin regelmäßig mit ihrer Freundin.

Warum auch nicht? Sie freue sich, "zur Normalisierung oder Sichtbarmachung homosexueller Beziehungen beitragen" zu können. Und: "Mit 16 hätte ich mehr lesbische oder queere Menschen in meinem Leben gebraucht." Damals hat sich Greta Elisa Hofer noch hinter ihren langen Haaren versteckt. "Schön fand ich mich überhaupt nicht", sagt sie. Mit 17 schnitt sie sich die Haare ab, mitten in der Nacht. Rückblickend eine ihrer besten Entscheidungen. Nicht nur für den Job, glaubt man herauszuhören. (Anne Feldkamp, RONDO, 6.11.2021)

12. Einer Kunstgeschichte-Studentin kann man eben nix vormachen: Greta Elisa Hofer im "fertigen" Kleid.
Foto: Yannick Schütte