Alexander Platzer (rechts) in Sarajevo – hier mit dem ungarischen Verteidigungsminister Tibor Benkő im Juli 2021.

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Der Kommandeur der Militärmission Eufor-Althea, Generalmajor Alexander Platzer aus Österreich, sieht trotz der Ankündigungen Milorad Dodiks, des Chefs der größten bosnisch-serbischen Partei, den Landesteil Republika Srpska abzuspalten, "grundsätzlich keine klassische militärische Bedrohung". "Die generelle Sicherheitslage im Land ist stabil", sagte Platzer im Gespräch mit dem STANDARD. Eine mögliche Truppenverlegung nach Brčko, jenem Ort, der die Republika Srpska in zwei Teile trennt, lehnt er ab. Eine solche Truppenverlegung wurde von einigen Analysten vorgeschlagen, um Dodik vor weiteren Schritten abzuschrecken.

"Ich werde laufend auf die Truppenverlegung nach Brčko angesprochen, und ich bin bis heute nicht ganz draufgekommen, wo dieser Wunsch herkommt", meint Platzer. "Wir sind vor Ort und sehen aktuell keine Notwendigkeit für eine zusätzliche Truppenpräsenz. Ich glaube, es wäre eher eskalierend als deeskalierend, wenn Truppen nach Brčko gesandt werden würden." Platzer verweist darauf, dass die Kernaufgabe der Eufor die Unterstützung der lokalen Kräfte bei der Aufrechterhaltung eines sicheren und stabilen Umfeldes sei.

Reserven außerhalb des Raumes

Neben den mindestens 600 operativen Kräften befinden sich derzeit noch zusätzliche Soldaten und Soldatinnen im Bereich der Versorgung im Einsatz. Darüber hinaus verfüge Eufor-Althea über ausreichend Reservekräfte, die bei Bedarf jederzeit eingesetzt werden könnten. Platzer betont, dass sich die internationale Gemeinschaft gegen ein Besetzungsszenario durch die Übergabe von Verantwortung des Landes an die Behörden ausgesprochen habe. "Ich sehe keinen Bedarf, dies zu ändern."

Reserven könnten aus dem Balkan kommen, aber auch die KFOR aus dem Kosovo könne herangezogen werden. Zudem gebe es noch die Strategische Reserve ganz von außen. "Gerade sie ist für uns besonders relevant, weil sie nicht in diesem Raum ist", erklärt der Kommandeur. Im Bedarfsfall seien demnach noch einmal gut 1.000 Soldaten und Soldtatinnen abrufbar, dies könne man auch noch steigern. "Wir bereiten uns auf gewisse Szenarien vor. Etwa 700 Soldaten sind heuer als Reservekräfte zur jährlichen Übung gekommen. Das war eine geplante Übung, die uns gezeigt hat, dass die EU und die internationale Gemeinschaft handlungsfähig sind."

Neue Beobachtungsstationen

Überlegt werde auch, die lokalen Beobachtungsstationen der Eufor im ganzen Land, die sogenannten LOT-Häuser, auszubauen, "um vertiefend zu sehen, was passiert". Die Angebote dafür kämen von bereits truppenstellenden Staaten. Grundsätzlich könne der Eufor-Kommandant, wenn er sieht, dass das sichere und stabile Umfeld in Gefahr gebracht wird, von sich aus aktiv reagieren, er braucht dafür de jure keine Erlaubnis aus Brüssel. "Darüber hinaus können wir jederzeit auch unangekündigt Inspektionen im Bereich der gesamten Waffenhaltung und im Rüstungssektor machen. Wir können auch einen Schiedsspruch fällen, sollte es zum Aufbau einer militärischen Kapazität kommen, also wenn es zu Bewaffnungen kommt, die nicht vorgesehen sind", so Platzer.

Zur aktuellen Diskussion um die Verlängerung der Eufor-Mission Althea durch den UN-Sicherheitsrat verweist Platzer darauf, dass das Mandat der Eufor und ihre Aufgaben "vollständig von den zivilen Aufgaben des Hohen Repräsentanten getrennt sind". Russland will alle Bezüge zum Hohen Repräsentanten (OHR) aus der neuen Eufor-Resolution hinausstreichen, weil Russland das Amt des Hohen Repräsentanten komplett abschaffen will.

Ablaufdatum für Dayton

"Aus dem militärischen Blickwinkel würde es keinen Unterschied machen, wenn die Referenzen zum OHR aus dem Eufor-Mandatstext zur Verlängerung unserer Mission gestrichen würden. Ob das Daytoner Abkommen damit beschädigt würde, ist aber eine andere Frage. Das kann ich nicht einschätzen", sagt Platzer zu der Debatte. "Es ist aber für mich völlig klar, dass Dayton ein Ablaufdatum hat. Und dieses Ablaufdatum bestimmen das Land und die internationale Gemeinschaft durch eine positive Entwicklung bei der Herausbildung eines stabilen Staatsgefüges."

Der Friedensvertrag von Dayton, im US-Bundesstaat Ohio, wurde im Jahr 1995 nach mehr als drei Jahren Krieg mit 100.000 Toten geschlossen. Der militärische Konflikt wurde beendet, doch auf der politischen Ebene werden von Nationalisten wie Dodik die gleichen Kriegsziele verfolgt wie damals, nämlich die Abspaltung der Republika Srpska. Zuletzt hatte auch irritiert, dass die Gendarmerie in der Republika Srpska mit Langwaffen ausgestattet wurde. Kürzlich hielten Polizeikräfte der Republika Srpska auf dem Berg Jahorina eine Übung ab.

Zwei Armeen, kein Sinn

Platzer sieht bei den Langwaffen kein Problem. "Die Art der Ausrüstung der Polizeikräfte in der Republika Srpska entspricht internationalen Standards. Langwaffen haben wir in Österreich auch." Zu Dodiks Androhung, die gemeinsame Armee aufzulösen und eine eigene Armee der Republika Srpska zu schaffen, meint Platzer: "Die gemeinsame Armee ist nicht im Friedensvertrag von Dayton verankert. Wir hatten zum Zeitpunkt des Daytoner Vertrags drei Armeen je nach Ethnien. Aufgrund einer innerstaatlichen Willensbildung wurde dann die gemeinsame Armee geschaffen."

Wenn das Land über einen ganz normalen Gesetzgebungsprozess zustimme, dass es wieder mehrere Armeen geben solle, dann könne die internationale Gemeinschaft dies kaum verhindern. "Ich habe aber die handelnden Akteure gefragt, was es für einen Sinn machen soll, wenn man für die Kernaufgabe Landesverteidigung zwei Armeen einsetzt. Dann gäbe es zwei Minister, zwei Generalstabschefs, und das ist bei der Dimension des Landes übertrieben. Es macht strukturell keinen Sinn."

Spannung erkennbar

Wenn eine Armee zerfalle und zwei Armeen daraus würden, dann solle vorher ein politischer und militärischer Grundkonsens herrschen und dem Primat der politischen Entscheidung entsprechen. "Das ist aus heutiger Sicht ein Szenario, das wir bewältigen können." Wenn es aber keinen politischen Konsens darüber gebe, dass die Armee aufgelöst wird und in zwei Teile zerfällt, dann wäre die Sicherheitslage ganz anders zu beurteilen. "Da müsste man sich das genau anschauen."

Der Kommandeur erkennt eine gewisse Spannung in der Bevölkerung. "Das hängt damit zusammen, dass sicherheitspolitische Themen dauernd in den Medien rauf- und runtergespielt werden. Die Bevölkerung wird von der Politik ständig in den Krisenmodus versetzt." (Adelheid Wölfl, 3.11.2021)