Nicht nur die Untersuchungskommission, die nach dem Terroranschlag vom 2. November unter der Leitung von Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes eingesetzt wurde, sondern auch Ermittlungen gegen zwei Verfassungsschützer zeigen, wie viel im Vorfeld des Attentats schiefging – so wird etwa klar, dass der Attentäter schon im Frühjahr als "hohes Risiko" hätte gelten können. Hinterbliebene brachten aufgrund der Behördenfehler auch eine Amtshaftungsklage ein. Ihrer Meinung nach hat der Staat nicht alles in seiner Macht Stehende getan, um den Anschlag zu verhindern.

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Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ist da anderer Meinung. Gefragt nach einer Entschuldigung in Richtung der Angehörigen, sagte der Minister am Dienstagabend in der ORF-Sendung "Report", dass aus der Sicht der Betroffenen die Emotion total verständlich sei. Der Schmerz müsse unermesslich sein. Davon zu trennen sei aber, dass es nur einen Schuldigen gebe, "und das ist der Terrorist". Aus dem Bericht der Untersuchungskommission gehe klar hervor: "Es gibt viel zu tun, das wir auch getan haben. Wir haben den Verfassungsschutz neu geordnet, die schnellen Reaktionskräfte eingerichtet. Aber – und das stellte auch die Vorsitzende dieser Kommission fest – es gibt kein Einzelverfehlen, das für den Terroranschlag kausal ist." Eine Entschuldigung kam Nehammer nach mehrmaligen Nachfragen nicht über die Lippen.

Schlamperei und systemisches Versagen

Die angesprochene Zerbes hatte am Montagabend im "ZiB 2"-Interview tatsächlich ebenfalls bestätigt, dass es den einen Fehler nicht gegeben habe. Und dass man generell Anschläge wie diesen nicht ausschließen könne, da es keinen Staat gebe, der zu 100 Prozent sicher sei. Allerdings sagte sie auch unmissverständlich: "Hier ist Schlamperei passiert – und ein systemisches Versagen." Das Risiko für einen Anschlag hätte deutlich gesenkt werden können.

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"Es sind Fehler und Probleme aufgetaucht", sagte Nehammer. An Rücktritt habe er nicht gedacht. "Mein politisches Verständnis ist, nicht wegzulaufen. Ich bin nicht so geprägt oder erzogen worden. Ganz im Gegenteil. Politische Verantwortung heißt Fehler erkennen, dort, wo sie passiert sind, und dafür sorgen, dass das Risiko eines neuen Anschlags bestmöglich reduziert wird." Das erreiche man auch durch die Neuaufstellung des Verfassungsschutzes.

Unterschiedliche Analysen zur BVT-Reform

Diesem Umbau stellte Zerbes allerdings kein gutes Zeugnis aus: Nur eine neue Struktur zu schaffen sei noch "kein Gewinn", immerhin habe mangelndes Vertrauen zwischen den polizeilichen Einheiten im Vorfeld des Anschlags zu Problemen geführt. "Wir nehmen all das, was im Bericht festgestellt wurde, sehr ernst", sagt Nehammer dazu. Die Trennung zwischen Nachrichtendienst und Staatsschutz sei wesentlich, früher hätten alle Polizistinnen und Polizisten beides machen können. Man müsse die künftige Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst erst einmal ihre Arbeit machen lassen. Und "ja, es wird eine neue Datenbank geben, die das Defizit lösen soll, dass Informationsverluste stattfinden".

Gesetzesänderung bei Opferschutz nicht ausgeschlossen

Zur Kritik an der späten Entschädigung der Hinterbliebenen beziehungsweise Opfer des 2. November sagt Nehammer, dass es ein Erfolg sei, dass die Dotierung des Fonds für die Entschädigungszahlungen erhöht worden sei. Der Fonds ist mit 2,2 Millionen Euro dotiert, bei mehr Bedarf werde dies unter Umständen erhöht. Das ist mehr, als im Verbrechensopfergesetz vorgesehen wäre. Man sehe, dass der Fonds eine wichtige Pionierarbeit leiste, sagt Nehammer. Aus seiner Sicht seien auch "Ableitungen für die Zukunft zu treffen". Eine Änderung im Verbrechensopfergesetz schließt der Innenminister nicht aus. "Entscheidend ist, dass der Fonds jetzt seine Arbeit aufnimmt und die Zahlungen bald durchgeführt werden können." (Lara Hagen, 3.11.2021)