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15 Parkplätze weniger: In Wien ist das ein Vorbote der Apokalypse. Und somit ein Grund, Bezirkszeitungen damit aufzumachen. "15 Parkplätze fallen wegen Radlern weg", titelte die Print-Ausgabe der Alsergrunder Bezirkszeitung gerade. Mit klarem Framing: Autofahrer – hilflos im Würgegriff der Radanarchos.

Im Gratispostwurf funktioniert das. Aber nur dort. Denn Online heißt die Story "In der Mariannengasse haben Radler Vorrang": Wegen Bauarbeiten am Uni-Campus werden 15 Anrainerparkplätze verlegt. Zulasten von Non-Locals-Parkraum.

Klingt gleich anders. Das duale Narrativ ist aber kein Zufall, sondern Klientelpolitik: Wer liest Print-Postwurf, wer online? Die Unterscheidungskriterien heißen unter anderem "Alter" und "Bildung". Das korrespondiert mit dem Verkehrsverhalten: Fast jeder zweite Wiener Haushalt ist heute autofrei. In der Stadt machen immer weniger Junge den Führerschein. Primär, weil der City-Pkw längst als teures Stehzeug, der Wirtschaftswunderglaube an urbane "Vollmotorisierung" als Anschlag auf Bewegungsfreiheit und Lebensqualität enttarnt ist.

Der Schwanz wedelt, wie der Hund bellt

Dieses duale Kommunizieren fällt aber nicht vom Himmel. Bezirksmedien agieren meist im Nahfeld regionaler Politik: Wo eine Stadt Verkehrspolitik als 1970er-Autopolitik plus Klimaworthülsen lebt, wedelt der Schwanz, wie der Hund bellt.

Doch das würde er auch, wenn Wiens Verkehrspolitik statt überalterten SP-Bezirksgruppen internationalen Beispielen folgen würde: Anne Hidalgo lässt in Paris gerade 60.000 Parkplätze verschwinden – und wurde als Bürgermeisterin wieder gewählt. Aber wo 15 Parkplätze zum Apokalypsen-Aufmacher taugen, kann man wohl die Hoffnung aufgeben. (Thomas Rottenberg, 9.11.2021)