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Vanessa Nakate wurde im vergangenen Jahr international bekannt – unfreiwillig.

Foto: AP/Martin Meissner

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Nakate beim Weltklimagipfel in Glasgow mit Greta Thunberg und der Gastgeberin, der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon.

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"Mit mir wurde ein ganzer Kontinent getilgt", ärgert sich Vanessa Nakate noch heute. Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) hatte die ugandische Klimaaktivistin aus einem Foto herausgeschnitten, das 2020 beim Weltwirtschaftsforum in Davos aufgenommen worden war. Zu sehen blieben ihre vier europäischen Kolleginnen, darunter Greta Thunberg. Erst nach internationalem Protest tauschte AP das Foto gegen jenes mit Nakate aus.

"Wir werden zu wenig ernst genommen", sagt die Umweltschützerin aus Uganda. Und das, obwohl die Menschen im Süden deutlich stärker unter den Folgen des Klimawandels leiden würden als anderswo.

Auch beim derzeit stattfindenden Klimagipfel der Vereinten Nationen in Glasgow werden Aktivisten aus armen Ländern unterrepräsentiert sein. "Sie haben kein Geld, um ein Flugticket zu bezahlen, bekommen oft keine Visa oder Akkreditierung", kritisiert Nakate. Die Covid-Pandemie erschwere das Reisen zusätzlich, insbesondere für Ungeimpfte. In den armen Ländern sind nur wenige Menschen immunisiert, weil dort Impfdosen fehlen. "Die Verteilung der Impfstoffe zwischen Arm und Reich ist absolut ungerecht", schimpft Nakate am Telefon.

Thunberg und Co als "Familie"

Sie selbst hat allerdings Glück. Die Organisatoren des Klima-Jugendgipfels in Mailand und die Verlage, in denen Nakates erstes Buch "Unser Haus steht längst in Flammen" demnächst erscheinen wird, bezahlen ihren Trip nach Europa. Die Aktivistin ist inzwischen international vernetzt. Sie nennt Thunberg und andere Umweltschützer ihre "Familie". Das Magazin "Jeune Afrique" platziert Nakate auf Rang 77 der 100 einflussreichsten Afrikanerinnen und Afrikaner.

Unregelmäßige Regenfälle, Dürren, Fluten und Hungersnöte haben Nakate aufgeschreckt. 2019 stellte sie sich zum ersten Mal, ganz allein mit einem Plakat an eine Straßenkreuzung in der ugandischen Hauptstadt Kampala und forderte die Politiker zum Handeln auf. "Bei uns werden jetzt schon Existenzen zerstört, nicht erst in der Zukunft", sagt die 25-Jährige.

Überzeugungsarbeit in Schulen

Ihren Plan, dem Marketingstudium ein Studium der Betriebswirtschaftslehre folgen zu lassen, hat sie aufgegeben. Sie geht lieber in Schulen und erklärt Kindern, welche verheerenden Folgen es hat, wenn die Menschen Bäume für Feuerholz fällen. Sie überzeugt die Schulköchinnen, Herde zu benutzten, die nur halb so viel Holz benötigen wie herkömmliche Herde, und sie lässt mit ausländischer finanzieller Hilfe Solaranlagen auf Schuldächern installieren.

Nakate hat sich der Friday-for-Future-Bewegung angeschlossen. Aber sie ruft in ihrer Heimat niemals zum Schulstreik auf. "Unsere Kinder und Jugendlichen sind froh, wenn die Eltern unter großen Mühen die Gebühren für die Schule oder die Universität aufbringen", erklärt sie. Niemand wolle riskieren, von der Schule zu fliegen und womöglich ohne Abschluss dazustehen.

Gefährliches Aktivistenleben

Nakate kann sich auch nicht einfach vor das Parlament in Kampala setzen so wie Thunberg in Stockholm. Sie muss zuerst die diensthabenden Polizisten überreden, dass sie sie in Ruhe lassen. In vielen Ländern des Südens leben Aktivisten gefährlich. "Manche werden vertrieben, verprügelt, verhaftet, einige sogar ermordet", warnt Nakate.

Die junge Frau aus Uganda kann dank gelegentlicher Einladungen an Klimaprotesten in Europa oder Nordamerika teilnehmen. Es sei gut, sich ein Bild von der Lage in anderen Ländern zu machen, findet sie. Sie würde sich freuen, wenn Aktivisten aus den reichen Ländern auch einmal Uganda besuchen würden. "Bisher ist aber niemand gekommen", bedauert sie.

Eine eigene Stimme haben

Von den Menschen im reichen Teil der Welt erwartet sie, dass sie Geld, Wissen und Technik teilen, damit die Länder im Süden ihren Teil zum Klimaschutz beitragen können, indem sie etwa die Tropenwälder im Amazonas und im Kongobecken erhalten. Vor allem aber fordert die Uganderin, dass "wir für uns selbst sprechen können und nicht dauernd jemand über uns spricht".

Für sich selbst sprechen, noch dazu über Weltpolitik, beschert Nakate in ihrer Heimat immer wieder Probleme. "Manche verunglimpfen mich als Prostituierte, wenn ich an einer Straßenecke demonstriere", erzählt sie. Andere unterstellen ihr, sie wolle nur Aufmerksamkeit erregen, um einen der wenigen Jobs in Uganda zu ergattern.

Mädchen sollen nicht auf Bäume klettern

Für Nakate gibt es keine Klimagerechtigkeit ohne Gleichberechtigung von Frauen und Männern. "Frauen sind in jeder Notlage die ersten Opfer. Sie werden sexuell ausgebeutet und von Bildung ausgeschlossen", sagt sie. Auch kulturelle Gepflogenheiten können hinderlich sein. Zum Beispiel sollen Mädchen in ihrer Heimat nicht auf Bäume klettern. "Wenn eine Flut käme, wüsste ich nicht, wie ich mich auf einen Wipfel retten könnte", sagt Nakate. (Judith Raupp aus Goma, 4.11.2021)