Zum Gebrauch von Kraftausdrücken meint Landeshauptmann Haslauer so etwas störe nur "Fernsehredakteure, die die Moral wie eine Monstranz unter dem Baldachin ihrer Selbstgerechtigkeit vor sich hertragen".

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In ihrem illusionsgetriebenen Kampf gegen die Realität staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen setzt die ÖVP derzeit auf zwei erkennbare Strategien. Zum einen auf Drohungen gegen die WKStA, die von einem Veteranen-Bataillon der Desinformation vorgebracht werden, zu dem unter anderem der bei der "Presse" hinausgeschmissene Ex-Herausgeber Andreas Unterberger gehört. Er agiert in seinem Blog als eine Art Martin Sellner in der Heinz-Conrads-Version, droht per "Kurier"-Gastkommentar Staatsanwälten mit ihrer Entlassung und behauptet, Millionen Österreicher hätten jetzt den Glauben an den Rechtsstaat verloren. Schade, dass Sabine B. momentan verhindert ist, sie hätte diesen Befund sicher mit einer Umfrage belegen können.

Zum anderen intensivieren die Noch-Türkisen den Einsatz kommunikativer Nebelgranaten. Eine der tränentreibendsten ist die Behauptung, man würde Sebastian Kurz nur den Gebrauch von Kraftausdrücken in den Chats vorwerfen, und das sei doch wirklich eine menschliche Schwäche, die uns allen schon passiert ist. Laut Landeshauptmann Haslauer stört so etwas nur "Fernsehredakteure, die die Moral wie eine Monstranz unter dem Baldachin ihrer Selbstgerechtigkeit vor sich hertragen."

Bizarre Idee

Abgesehen davon, dass Herr Haslauer, sollte er vorhaben, beim nächsten Fronleichnamsumzug den Himmel als "Baldachin" zu bezeichnen, einen Tscheckerpuff vom Erzbischof riskiert: Die Idee, dass die Empörung über die Chats sich an den darin verwendeten Schimpfwörtern entzündet, ist ähnlich bizarr, als würde man bei einer Diskussion über einen Bankraub behaupten, es gäbe nur deshalb Aufregung, weil die mutmaßlichen Täter unschöne Masken trugen – und das hätten wir doch wirklich alle schon einmal gemacht.

Ein Gipfel der Verlogenheit in dieser Argumentation ist der Verweis auf "arge Sachen", die Steffi Krisper im U-Ausschuss von sich gegeben hätte. Das ruft nach einer prinzipiellen Klärung: Im Bedeutungsunterschied zwischen "am Arsch gehen" und "ein Arsch sein" liegen Welten, auch was mögliche juristische Konsequenzen betrifft. Ungefähr so wie zwischen den Vorwürfen "Du hast mir die Zeit gestohlen" und "Du hast mir mein Auto gestohlen".

Ebenfalls nach Klarstellung verlangt der Propaganda-Spin, wonach es bei den Chats nur um strafrechtliche Relevanz ginge und deshalb alle anderen Vorwürfe gegen Kurz unerheblich seien.

Charakterliches Problem

Nein, sind sie nicht. Wenn wer eine für viele Menschen wichtige Maßnahme in der Kinderbetreuung zu verhindern versucht, weil sie für seine Intrige gegen seinen eigenen Parteichef unvorteilhaft ist, offenbart sich darin kein strafrechtliches, sondern ein charakterliches Problem. Nach dessen Sichtbarmachung kommen viele zur Überzeugung, dass man mit so einem Problem nicht geeignet ist, ein Land zu regieren. Wenn Ihnen jemand, nachdem Sie ihn gegrüßt haben, ins Gesicht rülpst, ist das auch kein strafrechtliches Thema, aber Sie werden vermutlich beschließen: Den grüße ich nicht mehr.

Um das so zu sehen, braucht man auch nicht die Moral wie eine Monstranz unter dem Baldachin der Selbstgerechtigkeit vor sich hertragen. Da genügt Wertschätzung für ein Mindestmaß an menschlichem Anstand. (Florian Scheuba, 3.11.2021)