Das neue Datencenter wird von der Statistik Austria betrieben. Diese soll die Anträge der Forscher auf Zugang zu den sensiblen Informationen evaluieren.
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PRO: Für informierte Politik

Wie hoch ist die Impfquote unter Studierenden? Die Frage ist für die Hochschulpolitik wichtig, wenn es etwa um Corona-Maßnahmen geht. Wie effektiv waren die Covid-Unternehmenshilfen? Die Frage ist für die Wirtschaftspolitik relevant, wenn sie Lehren aus der Pandemie ziehen und für künftige Krisen gewappnet sein will.

Solche Fragen lassen sich nur beantworten, wenn individuelle Daten verknüpft werden. Im Fall der Studierenden sind das personenbezogene Daten wie Ausbildungslevel und Impfstatus. Im Fall der Hilfen sind das unternehmensbezogene Daten.

Für personen- und unternehmensbezogene Daten gelten strenge Datenschutzbestimmungen. Das ist gut so, aber der Schutz darf nicht übers Ziel hinausschießen. In Österreich ist das bisher der Fall. Weil Forscher hierzulande kaum bis gar keinen Zugang zu sensiblen Informationen haben, tappt die Wissenschaft bei vielen Fragen im Dunkeln. Evidenzbasierte Politik ist so nicht möglich. Dabei wäre sie im Interesse aller.

Höchste Zeit, dass die Wissenschaft Zugang zu Registerdaten bekommt. Die Datenschutz-Grundverordnung erlaubt das – aus gutem Grund. Das geplante Mikrodatenzentrum der Statistik Austria schafft Standards, die in anderen Ländern längst gelten – und sich bewährt haben. Die Angst vor Datenmissbrauch ist unbegründet. Sensible Informationen bleiben sicher auf den Servern der Statistikbehörde, die genau überwacht, wie die Forscher mit den Daten umgehen. (Aloysius Widmann, 3.11.2021)

KONTRA: Was heißt hier anonym?

Keine Frage: Um evidenzbasierte, kluge Entscheidungen treffen zu können, ist der Zugriff auf aussagekräftige Daten unumgänglich. Das bezweifeln auch Datenschützer nicht, die am Mittwoch einmal mehr vor der geplanten Superdatenbank der Statistik Austria warnten.

Denn der Zweck heiligt die Mittel nicht immer – wirklich anonymisiert sind die Daten nicht. Über die Verschränkung mehrerer Informationen können Rückschlüsse auf individuelle Personen gezogen werden, etwa wenn neben Impftermin auch Arbeitgeber und Krankenstand angezeigt werden.

Die Regierung scheint hier zu tricksen. Denn derartige pseudonymisierte Daten unterliegen eigentlich der strengen Datenschutzverordnung. In der Novelle werden aber genau diese Daten nun als anonymisiert klassifiziert, womit sie theoretisch nicht mehr unter diese Verordnung fallen.

Aufgeweicht wurde offenbar auch die Protokollierung von Zugriffen auf personenbezogene Daten. Diese hatte laut bisherigem Gesetzestext "lückenlos" zu erfolgen, die neue Formulierung spricht nur noch davon, dass Verarbeitungsvorgänge "im notwendigen Ausmaß nachvollzogen werden können".

Politisch zu wenig geklärt ist schließlich auch die Rolle der Statistik Austria. Wenn diese und das mit ihr verbundene Zentrum künftig über die wertvollsten Daten Österreichs wachen, ist ihre Unabhängigkeit wichtiger denn je. (Martin Stepanek, 3.11.2021)