Hüben wie drüben wird derzeit über Corona-Verschärfungen diskutiert. In Wien berät sich Stadtchef Michael Ludwig (links) am Donnerstag mit Experten. Am Freitag folgt ein Bund-Länder-Gipfel: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein pocht auf eine einheitliche Vorgangsweise.

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Am 3. November 2020 war Österreich angesichts der massiv steigenden Infektionszahlen bereits wieder im Lockdown. Zwei wichtige Kennzahlen an diesem Tag lauteten: eine Sieben-Tage-Inzidenz von 403 sowie 366 belegte Intensivbetten.

Genau ein Jahr später hat Österreich zwar eine Durchimpfungsrate von 62,7 Prozent vorzuweisen. Die Ähnlichkeiten zur Situation 2020 bezogen auf die oben genannten Parameter sind aber dennoch frappant. Aktuell beträgt die Sieben-Tage-Inzidenz 429 Fälle auf 100.000 Einwohner, zudem benötigten in Spitälern 333 Personen eine intensivmedizinische Behandlung. Das waren um 16 Personen mehr als am Dienstag.

Der Statistiker Erich Neuwirth, der in den Expertengremien von Wien und dem Burgenland sitzt, geht von weiter stark steigenden Corona-Zahlen in Österreich aus. Er sieht aktuell "keinen Grund" für eine Trendumkehr. "Vor allem bei den geringen Maßnahmen, die es derzeit gibt", sagte er dem STANDARD. Zudem sei die Impfquote noch zu gering, um signifikante Effekte erzielen zu können. Neuwirth rechnet jedenfalls mit weiteren Maßnahmen, die die Politik setzen werde.

Expertenrunde in Wien am Donnerstag

Bereits am Donnerstag wird sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) erneut mit einem Expertengremium über die Corona-Lage austauschen. Zwar gelten in der Bundeshauptstadt bereits strengere Regeln als im Rest des Landes. Weitere Nachschärfungen dürften angesichts der stark steigenden Zahlen aber bevorstehen. Im Vorfeld der Sitzung wurden im Rathaus weitere mögliche Verschärfungspläne nicht bestätigt. Allerdings sagte ein SPÖ-Sprecher: "Wir gehen nicht davon aus, dass uns Expertinnen und Experten sagen werden, dass die Zahlen ohne Maßnahmen runtergehen werden."

Eine Möglichkeit wäre, dass Wien wie zuletzt wieder strengere Maßnahmen vorwegnimmt. So gelten in Wien seit Anfang Oktober jene Verschärfungen, die in Stufe zwei des Corona-Plans der Regierung vorgesehen sind. In der Nachtgastronomie sowie bei Veranstaltungen mit über 500 Besuchern gibt es nur noch Zutritt für Geimpfte und Genesene (2G-Regel). Nur getestet zu sein, reicht nicht mehr. Auch Wohnzimmertests werden in Wien längst nicht mehr anerkannt.

Auch in Oberösterreich laufen intensive Beratungen über Verschärfungen, wie es es am Mittwoch aus dem Büro von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hieß. Bereits am Donnerstag dürften weitere Maßnahmen präsentiert werden. In Medienberichten ist unter anderem von einer 2,5G-Regel, einer Impflotterie und einem PCR-Test-Programm die Rede.

Ab 8. November österreichweit in Kraft

Weil die Marke von 300 belegten Corona-Intensivbetten Anfang dieser Woche österreichweit erreicht wurde, wird Stufe zwei landesweit wie vorgesehen aber erst am 8. November aktiviert. Gut möglich, dass dann auch bereits Stufe drei mit der Marke von 400 Corona-Intensivpatientinnen und -patienten übersprungen ist. Damit rechnet etwa Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Dann wäre mit sofortiger Wirkung das österreichweite Aus für Antigentests als 3G-Eintrittsmöglichkeit besiegelt. Auch diese Maßnahme gilt in Wien schon seit Oktober.

Naheliegend wäre also, dass Stadtchef Ludwig Stufe vier zeitlich vorzieht. Diese ist aber weitreichend und einschneidend: Überall dort, wo aktuell noch die 3G-Regel gilt, würde diese durch 2G ersetzt. Zu Bereichen der Gastronomie oder in Hotels sowie auch zu kleineren Veranstaltungen hätten dann nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt. Ungeimpfte wären davon ausgeschlossen. Bereits am Mittwoch schärfte Wien im Bereich der Spitäler nach: Hier brauchen ab sofort alle Besucherinnen und Besucher auch einen gültigen PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist. Diese Regelung betrifft auch Geimpfte und Genesene.

Am Freitag folgt ein Bund-Länder-Gipfel

Die türkis-grüne Bundesregierung diskutiert ebenfalls über weitere Maßnahmen. Selbst Szenarien, die bis hin zu einem Lockdown auch für Geimpfte reichen, sollen mittlerweile wieder durchgedacht werden, wie es hinter vorgehaltener Hand aus Regierungskreisen heißt. In den aktuellen Überlegungen dürfte das aber noch keine Rolle spielen: Denn für Freitagabend ist ein neuer Bund-Länder-Gipfel mit Regierung und Landeschefs angesetzt. Noch am Mittwochabend sollte zudem ein Gespräch zwischen Minister Mückstein und den Gesundheitslandesräten stattfinden.

Mückstein verhandelt mit den Ländern auch über eine einheitliche Vorgangsweise. Denn neben Wien haben zuletzt weitere Bundesländer Verschärfungen angekündigt. So wird es auch in Niederösterreich strengere Regeln geben, sagte am Mittwoch eine Sprecherin von Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Mückstein möchte aber den Fleckerlteppich vereinheitlichen.

Weitere Ausreisekontrollen kommen dazu

Gleichzeitig sollen weiter regionale Ausreisebeschränkungen und Maßnahmen verhängt werden, wenn gewisse Corona-Parameter überschritten werden. So wird es ab Freitag auch Ausreisekontrollen in den Tiroler Bezirken Landeck und Reutte geben, zudem kamen Kirchdorf und Wels-Land in Oberösterreich neu dazu. Auch Liezen dürfte bald davon betroffen sein, weitere mögliche Ausreisekontrollen drohen in Waidhofen an der Thaya sowie Neunkirchen.

Stufe vier – und damit bei Erreichen von 500 Corona-Intensivbetten die 2G-Regel für Gastronomie, Hotels und mehr – könnte aber auch bundesweit zeitlich früher kommen. So hat die Corona-Kommission bereits am 28. Oktober eine "proaktive Vorgehensweise" empfohlen und darauf hingewiesen, "geplante Präventionsmaßnahmen" vorzuziehen, die erst für eine höhere Intensivbettenauslastung vorgesehen waren. Mögliche Lockerungen könnten "an das Erreichen von noch zu definierenden Impfzielen geknüpft sein". Empfohlen wird zudem eine Ausweitung der FFP2-Maskenpflicht österreichweit für alle Innenräume – ohne Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften.

83 Intensivfälle in einer Woche mehr

Fraglich ist, ob Geimpfte – wie aktuell noch vom Bund geplant – von massiven einschränkenden Maßnahmen verschont bleiben können. Denn der Anstieg im Intensivbettenbereich war zuletzt beträchtlich. Vor einer Woche lagen noch 83 Corona-Patientinnen und -patienten weniger auf Intensivstationen als am Mittwoch. Nur im Burgenland sind aktuell weniger als zehn Prozent der Intensivbetten mit Covid-Fällen belegt, in Wien wurde die Marke von 20 Prozent übersprungen.

In der Steiermark sieht sich die Krankenanstaltenholding Kages dazu gezwungen, schon vereinbarte Operationen, bei denen danach ein Aufenthalt der Patienten auf einer Intensivstation zu erwarten ist, ab sofort zu verschieben. "Die Lage auf den Intensivstationen ist angespannt", heißt es. Einige Spitäler verfügten zwar über höhere Kapazitäten, in anderen stoße man bei der Anzahl der Intensivbetten durch Covid-Patienten aber bereits an die Grenzen. (David Krutzler, Walter Müller, 3.11.2021)