Eine klare Mehrheit wünscht weniger Inserate, dafür eine Medienförderung, die sich an Qualitätskriterien orientiert.

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Wien – Die Inseratenaffäre wirkt sich auf die Glaubwürdigkeit des österreichischen Journalismus aus. Während das Gros der Österreicherinnen und Österreicher unabhängigen Journalismus als wichtig für die Demokratie erachtet, ist eine Mehrheit der Meinung, dass es diesen derzeit nicht gebe.

Wie "käuflich" sind Österreichs private Medien?

So glauben 21 Prozent der Befragten, dass man sich alle private Medien einfach "kaufen" könne, damit ihre Journalistinnen und Journalisten berichten, wie man will. Weitere 36 Prozent sind der Meinung, dass man sich günstige Berichterstattung in den meisten privaten Medien kaufen könne, in einigen wenigen Medien jedoch nicht. Und nur drei Prozent sind der Ansicht, dass man sich günstige Berichterstattung grundsätzlich nicht kaufen könne.

Der Aussage, dass die meisten Medien im Land möglichst objektiv über die gegenwärtige Inseratenaffäre berichten und um Aufklärung bemüht sind, stimmen lediglich zehn Prozent der Befragten zu, weitere 35 Prozent sehen das "eher" gegeben.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Analyse des österreichischen Gallup-Instituts in Kooperation mit dem Medienhaus Wien, deren Ergebnisse am Donnerstag bei einer Pressekonferenz präsentiert wurden. Die Analyse basiert auf einer Onlineumfrage, die im Zeitraum vom 14. bis 19. Oktober 2021 unter 1.000 Personen ab 16 Jahren durchgeführt wurde – also rund zehn Tage nach Auffliegen der Inseratenaffäre, in der es um mutmaßliche Deals zwischen der Mediengruppe Österreich, dem Finanzministerium und dem Research-Institut geht. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Vertrauen in Medien und Journalismus

Die Studie zeichne ein "tristes Bild für den Journalismus", sagt Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien, "wenn eine überwiegende Mehrheit glaubt, dass der Journalismus käuflich ist". Er hoffe, dass das nur eine Momentaufnahme sei. Studienleiterin Andrea Fronaschütz vom Gallup-Institut ortet aber eine Differenzierung. So glauben 33 Prozent der Befragten, dass das Vertrauen in österreichische Medien und den Journalismus nach dem Auffliegen der Chats allgemein sinken werde. 46 Prozent differenzieren und sind der Ansicht, dass das Vertrauen nur in bestimmte österreichische Medien sinken werde. Dass die Inseratenaffäre keinen Einfluss haben wird, denken zwölf Prozent.

58 Prozent erwarten sich laut der Umfrage, dass die Inseratenvergabe künftig transparenter ablaufen wird beziehungsweise plausibler begründet werden muss. Im Jahr 2020 pumpte die öffentliche Hand mindestens 220 Millionen Euro in Inserate. 47 Millionen Euro der Ausgaben entfielen auf die Regierung. Dass die Medienförderung und Inseratenvergabe der Regierung vollkommen neu aufgestellt werden, denken 50 Prozent.

Kritik an Summen für Regierungswerbung

Die Regierungsausgaben für Inserate stiegen zuletzt auch aufgrund der Corona-Pandemie stark an. Dass sie auf diesem Niveau bleiben könnten, verdeutlicht der Umstand, dass die Bundesregierung im April einen Auftrag für das Schalten von Werbung in der Höhe von bis zu 180 Millionen Euro für vier Jahre vergab, womit pro Jahr bei Ausschöpfung des Volumens in etwa 45 Millionen Euro investiert würden. Lediglich zwei Prozent der Befragten erachten die Ausgaben in dieser Höhe als vollkommen in Ordnung. 82 Prozent meinen, es sei überzogen – oder sind grundsätzlich dagegen, dass die Regierung Werbung macht. Im Februar dieses Jahres lag letzterer Wert bei 67 Prozent.

Medienförderung stößt auf mehr Zustimmung

Hinsichtlich der staatlich geregelten Medienförderung – wie etwa der Presseförderung – fällt das Urteil differenzierter aus. Ein Viertel erachtet die Förderung von Medien auf diesem Weg als vollkommen oder eher richtig. Ein Drittel sieht das als eher falsch bis falsch an. Ein Drittel ist unentschlossen, was ein Hinweis auf mangelnde Information zu diesem Thema ist. Knapp über 70 Prozent sind jedoch der Meinung, dass sich Medienförderung an der Qualität der jeweiligen Medien beziehungsweise den Regeln guter journalistischer Praxis orientieren sollte. Eine Förderung nach Größe und Reichweite sehen nur elf Prozent als sehr sinnvoll und 32 Prozent als eher sinnvoll an.

Medienexpertinnen und -experten fordern bereits seit längerer Zeit eine Reform der Presseförderung, und diese sollte sich in erster Linie an Qualitätskriterien orientierten. Es gebe genügend Parameter und internationale Beispiele, wie sich Qualität definieren lasse, sagt Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien.

"Gütesiegel" für seriöse Medien?

Ein Informationsproblem in der Bevölkerung identifiziert wiederum Fronaschütz vom Gallup-Institut. Es gebe klare Defizite bei der Medienkompetenz. Und Kaltenbrunner ergänzt: "Wir brauchen ein Wissensrückgrat, um Medien und die Glaubwürdigkeit einschätzen zu können." 59 Prozent der Befragten hielten eine Art "Gütesiegel" für Medien für eine gute Idee, um sich leichter orientieren zu können. Das würden nur jene Medien erhalten, die strenge Qualitätskriterien erfüllen.

Unterschiede nach Parteien

Eine klare Trennlinie zwischen Medienunternehmen, die um Aufklärung bemüht sind, und jenen, die sich selbst an Korruption beteiligen, sieht rund die Hälfte der Umfrageteilnehmer definitiv beziehungsweise als eher gegeben. Dabei zeigt sich, dass ÖVP- (44 Prozent) und FPÖ-Sympathisanten (47 Prozent) am wenigsten davon überzeugt sind. SPÖ- und Grünen-Sympathisanten sehen diese Trennlinie in weit höherem Ausmaß definitiv oder eher gegeben (65 Prozent). Neos-Sympathisanten liegen dazwischen (56 Prozent).

Dass unabhängiger Journalismus essenziell für eine demokratische Gesellschaft ist, halten 73 Prozent der Befragten für "sehr wichtig". Nur für vier Prozent ist das "nicht" oder "überhaupt nicht" wichtig. (omark, APA, 4.11.2021)