Am Flughafen Ben-Gurion bei Tel Aviv heißt es: testen. Und danach geht's in die Quarantäne.

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"Macht das lieber nicht, das gefällt dem Formular nicht": Diesen Ratschlag liest und hört man in Israel derzeit oft. Fast metaphysische Gewalt kommt dem Algorithmus zu, der entscheidet, ob der Daumen nach unten oder oben zeigt, wenn einreisewillige Ausländer darum bitten, in ein Flugzeug nach Israel steigen zu dürfen.

Das Land hat nach zwanzig Monaten Einreisesperre nun wieder seine Grenzen für Individualtouristen geöffnet. Somit dürfen auch viele nichtisraelische Familienangehörige, die ihre in Israel lebenden Verwandten seit Pandemiebeginn nicht besuchen durften, endlich wieder ins Land. Zumindest theoretisch. In der Praxis – diesen Eindruck vermitteln die Erlebnisberichte jener, die sich in den vergangenen Tagen an die Kunst der Flugbuchung in Zeiten der Pandemie herangewagt haben – dürfte sich Israel mit der langersehnten Grenzöffnung selbst überrumpelt zu haben.

Am besten drei Stiche

Das Regelwerk, das Einreisewillige beachten müssen, ist lang, aber durchaus klar und nachvollziehbar: Dreimal geimpft muss man sein, zweimal reicht auch, wenn die letzte Impfung nicht mehr als sechs Monate zurückliegt. Die dritte Impfung wiederum darf nicht jünger als 14 Tage sein. Der Impfstoff muss von der WHO anerkannt sein, das russische Vakzin Sputnik ist ebenso erlaubt. Wer einreist, muss sich sofort am Flughafen testen lassen und in Quarantäne das Ergebnis abwarten. Wer schon einmal krank war, muss sich boostern lassen, wenn die Erkrankung mehr als sechs Monate zurückliegt.

Die Regeln wurden auf der Seite des Gesundheitsministeriums veröffentlicht, wenn auch vorerst nur auf Hebräisch. Zahlreiche Airlines im Ausland waren aber zum Reisestart am Montag noch nicht über die neuen Richtlinien informiert worden.

Man braucht Glück

So kam es, dass Passagieren der Check-in verweigert wurde mit der Begründung, es fehle die vorgeschriebene Einreisebewilligung. Seit der Grenzöffnung stellt Israel eine solche aber gar nicht mehr aus. Stattdessen muss man online ein Formular ausfüllen, dort alle erhaltenen Impfungen angeben und nachweisen, dass die letzte Auffrischung nicht weniger als 14 Tage und nicht mehr als sechs Monate zurückliegt. Erst dann gibt es grünes Licht für den Check-in. Zumindest für Glückspilze.

Die Pechvögel lassen ihrem Frust derzeit in diversen Social-Media-Foren freien Lauf. Eine Flugbewilligung für ihre als Touristin einreisende Mutter zu ergattern "war schlimmer als alles, was wir bis jetzt in der Einwanderungsbehörde erlebt haben", schreibt eine in Israel lebende Deutsche – ausgerechnet in einem Facebook-Forum, das Eingewanderten dazu dient, sich über ihre albtraumhaften Erfahrungen mit ebenjener Einwanderungsbehörde auszutauschen. "Nichts und niemand ist bereit, Touristen zu empfangen", ärgert sich die junge Mutter, deren Kind seine Großmutter noch nie zu Gesicht bekommen hatte – mangels Reiseerlaubnis.

User geben einander gute Tipps zum richtigen Umgang mit dem Formular des Grauens. Dieses fordert Reisewillige dazu auf, ihren elektronischen Impfpass hochzuladen. Der wird aber in vielen Fällen nicht erkannt. "Besser, die Impfungen händisch eintragen", rät eine Userin. "Wenn ihr einmal Moderna und einmal Pfizer bekommen habt, dann macht im Formular besser zweimal Pfizer draus", empfiehlt eine andere Userin, "sonst bekommt ihr die Mitteilung, dass ihr nicht fliegen dürft."

Kleine Tricks

Gar nicht gern gesehen seien auch junge Geimpfte, heißt es: "Das Formular mag es nicht, wenn die zweite Impfung weniger als drei Wochen her ist", verrät dieselbe Userin. "Macht lieber 22 Tage draus, wenn es nur 21 sind – dann sollte es klappen."

Die Liste der Ratschläge ist lang. Für zusätzlichen Nervenkitzel sorgt, dass das Formular frühestens 24 Stunden vor Abflug ausgefüllt werden kann. Wer einen Flug gebucht hat, weiß also erst einen Tag vor der Abreise mit Gewissheit, ob er oder sie auch tatsächlich fliegen darf.

Die Probleme seien bekannt, man arbeite daran, heißt es im israelischen Gesundheitsministerium.

Dort brütet man derweil schon neue Regeln aus. Auslöser war der Fall acht Rückreisender aus China, die nach ihrer Ankunft rund 170 weitere Arbeitsmigranten in Israel angesteckt haben sollen. Der bei der Ankunft am Flughafen Tel Aviv vorgenommene Nasenabstrich hatte ein negatives Testergebnis gebracht – erst später wurden die Rückkehrer positiv getestet. Ob es sich bei diesen Fällen um eine neue Virusvariante handelt, wird derzeit ermittelt. Das Ergebnis könnte Auswirkungen auf den weiteren Umgang mit Einreisenden haben. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 4.11.2021)