Das iranische Regime lässt den 42. Jahrestag der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran mit antiamerikanischen Kundgebungen begehen, wo vor allem US-Präsident Joe Biden aufs Korn genommen wird. Die indirekten Atomgespräche zwischen dem Iran und den USA sollen dennoch am 29. November weitergehen.

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Die Formulierung aus Brüssel ließe nicht vermuten, dass es eigentlich um US-iranische Verhandlungen geht: Am 29. November wird in Wien die "Gemeinsame Kommission" des Atomabkommens von 2015 tagen, das heißt, unter EU-Leitung wird die P4+1 genannte Gruppe auf Verhandler der neuen iranischen Regierung treffen. P4, das sind die vier ständigen ("permanent") Uno-Sicherheitsrats-Mitglieder Großbritannien, Frankreich, Russland und China, dazu kommt – plus 1 – Deutschland.

Das 5. ständige Sicherheitsratsmitglied, die USA, ist nicht Mitglied dieser "Joint Commission", nicht mehr, weil ja US-Präsident Donald Trump im Mai 2018 aus dem Atomdeal ausstieg. Aber bei den Wiener Verhandlungen werden die USA dennoch anwesend sein: Die anderen Delegationen werden die Nachrichten zwischen Amerikanern und Iranern hin- und hertragen. Noch sprechen sie nicht direkt miteinander, so will es Teheran.

Es wird sich um die siebente Verhandlungsrunde der im April aufgenommenen und im Juni unterbrochenen Wiener Gespräche handeln. Das Ziel ist die Wiederherstellung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA): Einerseits sollen die USA ins Atomabkommen zurückkehren und die seit 2018 wieder verhängten Sanktionen gegen den Iran zurücknehmen. Und andererseits soll der Iran zu den strikten Regeln des Atomdeals zurückkehren, die er seit einiger Zeit massiv verletzt.

60 Prozent Anreicherung

Sinn und Zweck des damals ebenfalls in Wien verhandelten JCPOA war: Sanktionsaufhebung gegen streng kontrollierte Beschränkungen des iranischen Urananreicherungsprogramms. Mit angereichertem Uran kann man sowohl Brennstoff für Atomreaktoren als auch Atomwaffen herstellen. Der Iran dürfte zurzeit nur auf 3,67 Prozent anreichern, tut es jedoch auf 60 Prozent – da fehlt nicht mehr viel bis zur Waffenfähigkeit.

Auf den Termin 29. November, auf den sich der iranische Chefverhandler, Vizeaußenminister Ali Bagheri Kani, und EU-Koordinator Enrique Mora am Mittwoch einigten, hat man lange gewartet. Die Reaktionen fielen zustimmend, aber auch teilweise skeptisch aus. War man zu einem gewissen Zeitpunkt im Frühjahr von einem positiven Ausgang der Verhandlungen ausgegangen, so hat der Glaube daran massiv abgenommen.

Das hat vor allem mit der neuen Regierung in Teheran zu tun, unter Ebrahim Raisi, der im Juni die Präsidentschaftswahlen gewann, vor denen ihm allerdings die stärksten Herausforderer aus dem Weg geräumt wurden. Raisi kommt aus dem ideologischen Kreis derer, die prinzipiell gegen einen Deal mit den USA waren und die Regierung von Hassan Rohani mit Hass und Hohn überschütteten, als Trump 2018 austrat. Dennoch sprechen offenbar genügend wirtschaftliche Gründe dafür, es noch einmal zu versuchen. Die Entscheidung dafür liegt ohnehin nicht beim Präsidenten, sondern beim religiösen Führer Ali Khamenei.

Die Iraner haben zuletzt angedeutet, dass sie bei den Wiener Gesprächen nicht wieder dort anfangen wollen, wo im Juni, nach den iranischen Präsidentschaftswahlen, angehalten wurde. Mit Sicherheit ist die Kompromissbereitschaft nicht gestiegen – und die USA warnen davor, dass sich das Zeitfenster, in dem eine Einigung noch möglich wäre, bald schließen könnte.

Dem Iran geht es erstens darum, dass alle nach 2018 verhängten Sanktionen wieder aufgehoben werden – während die USA auf dem Standpunkt stehen, dass nicht alle davon im Kontext des Atomstreits verhängt wurden. Die letzten stammen vom vorigen Freitag: Da wurden zwei hochrangige Mitglieder der – mit dieser Regierung noch mächtiger gewordenen – iranischen Revolutionsgarden und zwei Unternehmen wegen ihrer Drohnenlieferungen an militante Gruppen in der Region mit Sanktionen belegt.

Teheran will Garantien

Der Iran will auch keinen Stufenplan akzeptieren, erst bei abgeschlossenem neuem Deal sollen die iranischen Verstöße aufhören. Teheran will darüber hinaus Garantien dafür, dass die Sanktionsaufhebungen auch wirklich umgesetzt und nicht über andere Wege behindert werden – sowie dass die USA nicht wieder aus dem Deal aussteigen.

Die US-Regierung hat sich auf die Formulierung zurückgezogen, dass unter Biden der Deal nicht verlassen werden wird, solange sich der Iran daran hält. Viel mehr kann Biden wohl nicht bieten – und dass Trump oder eine ähnliche Figur die nächsten Präsidentschaftswahlen gewinnt, ist ja nicht auszuschließen.

Bei all dem sind die US-iranischen Beziehungen im Moment besonders schlecht. Zum 42. Jahrestag der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran hat der Iran bekanntgegeben, Ende Oktober im Golf von Oman einen unter vietnamesischer Flagge fahrenden Tanker mit iranischem Öl zurückerobert zu haben, den ein US-Kommando angeblich beschlagnahmt und verschleppt hatte. "Eine tapfere Marine-Einheit der Revolutionsgarden" sei auf dem Tanker gelandet und habe ihn in iranische Gewässer zurückgebracht. Die USA dementieren diese Geschichte vehement. (Gudrun Harrer, 4.11.2021)