Bild nicht mehr verfügbar.

Wegen des starken Anstiegs der Konsumentenpreise verringert die US-Notenbank Fed ihre Corona-Hilfen.

Foto: AP

Die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt laufen auf Hochtouren, die Inflation ist empfindlich hoch. Mehr als fünf Prozent beträgt sie seit Monaten in den USA – ein Wert, der besonders für einkommensschwache Haushalte eine enorme Belastung darstellt. Handlungsbedarf für die US-Notenbank Fed: Sie fährt daher die Corona-Hilfen schrittweise zurück und erwirbt ausgehend von derzeit monatlich 120 Milliarden Dollar um 15 Milliarden Dollar pro Monat weniger Anleihen. Behält die Wirtschaft bis dahin ihren Wachstumskurs bei, soll sie ab Mitte nächsten Jahres ohne Wertpapierkäufe der Notenbank auskommen.

Das Auslaufen des Kaufprogramms gilt als Voraussetzung für eine mögliche Anhebung des Leitzinses. Diesen beließ die Fed bei ihrer Sitzung am Mittwochabend weiterhin in einer Spanne von null bis 0,25 Prozent, auf die der Zinssatz zu Beginn der Corona-Krise zurückgesetzt wurde. "Wir glauben nicht, dass es an der Zeit ist, die Zinsen anzuheben", sagte Fed-Chef Jerome Powell. Ob es nächstes Jahr so weit sein wird, sagte er nicht. Der Zeitpunkt einer ersten Zinsanhebung nach der Corona-Krise hänge vor allem vom Fortschritt der wirtschaftlichen Entwicklung ab.

Zinserhöhung offen

An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die Fed nach Abschluss des sogenannten Taperings, wie das Auslaufen der Wertpapierkäufe genannt wird, auch die Zinsen erhöhen wird. Auf solche Spekulationen ließ sich Powell nicht ein. Sollte eine Anhebung angezeigt sein, werde die Notenbank nicht zögern. Wenn sich die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt fortsetzt, hält Powell Vollbeschäftigung im zweiten Halbjahr 2022 für möglich. Neben Preisstabilität, worunter die Fed ein Inflationsniveau von zwei Prozent versteht, ist Vollbeschäftigung das zweite von der US-Notenbank angestrebte Ziel.

Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale sieht die Fed trotz der hohen Inflation nicht. Zwar stiegen die Löhne deutlich, was grundsätzlich eine gute Sache sei, erklärte Powell. Wenn jedoch die Löhne nachhaltig stärker stiegen als die Inflation und die Produktivität, könnte dies zu Preisanhebungen und weiter steigenden Inflationsraten führen, warnte der Fed-Chef. Eine solche Entwicklung sei derzeit aber nicht zu beobachten.

Angst vor Stagflation

Nachdem sich die US-Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte dynamisch von der Krise erholt hatte, verlor sie in den Sommermonaten wegen Lieferengpässen in der Industrie und steigender Corona-Fallzahlen wieder an Schwung. Dies ließ Ängste vor einer sogenannten Stagflation, also einer Kombination aus hoher Inflation und Stagnation, aufflackern. Wifo-Ökonom Josef Baumgartner hält diese Sorgen aber für weitgehend unbegründet.

Es gebe zwar einzelne Anzeichen aus Befragungsdaten, zum Beispiel für Deutschland, aber die Daten für alle Industrieländer zusammen würden auf eine starke Güternachfrage und hohe Auslastung vor allem im produzierenden Bereich hinweisen. Anhaltspunkte für das "Stag" im Wort würden eigentlich fehlen. Auch wenn die Teuerung merkbar gestiegen ist, deute nichts auf eine bevorstehende konjunkturelle Flaute hin. Im Gegenteil: "Wir befinden uns in einer sehr guten Konjunktur", sagt der Experte. Der jüngste Preisanstieg liege vor allem daran, dass die weltweite Nachfrage das weltweite Angebot an vielen Gütern und dabei mittlerweile das Vorkrisenniveau übersteige und auch die Logistiksysteme an ihre Grenzen stießen.

Keine Neuauflage der 1970er

Wenn jemand angesichts der weltweiten Wirtschaftsdaten vor Stagflation warnt, sei das eher eine "Desinformation", wie Baumgartner betont. Der Stagflation der 1970er-Jahre sei der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems mit fixen Wechselkursen vorausgegangen. Zudem gab es mit dem Jom-Kippur-Krieg einen Konflikt, in den wichtige Ölförderländer involviert waren, was zu Einschränkungen im Ölangebot führte. Arbeitsverträge seien häufiger indexiert gewesen, Gehälter wurden also an die Teuerung angepasst, was die Lohn-Preis-Spirale antrieb. Die derzeitige Situation habe kaum etwas mit damals gemein.

Sollte es aufgrund der Covid-Infektionszahlen und der Hospitalisierungen neuerlich zu einem Lockdown kommen, würde das die vorliegenden Prognosen negativ beeinflussen. Eine temporäre Kombination aus stagnierendem oder sogar sinkendem Wachstum und hoher oder sogar weiter steigender Inflation würde zwar die Definition einer Stagflation erfüllen, die Gründe, die dazu führen, wären jedoch andere als in den 1970er-Jahren. (Alexander Hahn, Aloysius Widmann, 5.11.2021)