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Glenn Youngkin, der republikanische Quereinsteiger, gewinnt in Virginia.
Foto: Reuters / Jonathan Ernst

"Financial Times": Landesweites Problem

"Bis Dienstag dieser Woche war Joe Bidens Misserfolg als US-Präsident nur theoretischer Natur. Schlechte Zustimmungsraten, stockende Gesetzgebung: Das sind Rückschläge, keine tödlichen Wunden. Das änderte sich jedoch, als der Republikaner Glenn Youngkin das Gouverneursamt eines Bundesstaates eroberte, den Biden letztes Jahr mit zehn Punkten Vorsprung gewann. (...)

Der Stimmungsumschwung in der gleichen Nacht in New Jersey – einem traditionell weitaus stärker den Demokraten zugeneigten Staat – deutet darauf hin, dass sie es mit einem landesweiten und nicht nur einem lokalen Problem zu tun haben. Die Arbeit an einer Lösung beginnt jetzt. Sie beginnt mit einer Neubewertung der Prioritäten.

Die Demokraten haben die meiste Zeit des Jahres damit vergeudet, mit sich selbst über zwei Budgetgesetze zu feilschen. Beide enthalten zwar Bestimmungen, die die USA zu einem besseren und gerechteren Ort machen würden. Allerdings bietet keines von ihnen eine direkte Antwort auf die Hauptsorgen der Öffentlichkeit: eine von Inflation geplagte Wirtschaft und eine immer noch wütende Pandemie. Zudem wurde von Woche zu Woche ein Durchbruch erwartet, der dann doch nicht kam."

"Washington Post": Republikaner-Basis motiviert

"Youngkin (...) schien von Wesen und Herkunft her gemäßigt zu sein. Er nahm sich erzkonservativer Themen an, einschließlich falscher Behauptungen über Wahlbetrug (...), aber geschickt genug, um die Republikaner-Basis zu motivieren, sich an der Wahl zu beteiligen, ohne zu viele Wechselwähler in den Vorstädten dazu zu bringen, seinen demokratischen Gegner, den ehemaligen Gouverneur Terry McAuliffe, zu unterstützen (...).

Youngkins knapper Sieg wird als Beweis dafür gewertet werden, dass die Republikaner mit einem ausreichend geschickten Kandidaten (...) die Last überwinden können, die der lange Schatten des ehemaligen Präsidenten Donald Trump andernfalls in einem gemäßigten Staat darstellen könnte. (...)

Youngkin hat den Bürgern Virginias Anlass zur Hoffnung gegeben, dass er im Amt so geschickt sein wird, wie er es im Wahlkampf war. (...) Youngkin versteht (...), dass Virginia nicht Texas ist. Es ist ein politisch gemäßigter Ort – er ist der erste Republikaner, der seit 2009 in dem Bundesstaat gewählt wurde. (...) Wie Youngkin dieses Mandat nutzen wird, wird zum Test seiner Rolle als Gouverneur."

"Neue Zürcher Zeitung": Ein Weckruf

"Die Niederlage in Virginia müsste ein Weckruf sein. Nur einer geeinten Partei könnte es gelingen, den fast sicheren Verlust beider Kongresskammern in einem Jahr abzuwenden. Doch viel eher werden beide Flügel unterschiedliche Schlüsse aus dem Wahlergebnis ziehen.

Die Linke wird behaupten, es sei eine Folge der fehlenden Umsetzung des Sozialausbaus. Die Gemäßigten wiederum sehen die Gefahr im Linksrutsch und einem überdimensionierten Staat. So wird der Streit andauern – und die Partei in einem Jahr sehenden Auges eine noch viel schmerzhaftere Niederlage erleiden."

"De Tijd": Harris richtige Kandidatin?

"Natürlich sagen diese Wahlen noch nichts über das Präsidentschaftsrennen 2024 aus. Dafür ist es noch viel zu früh. Aber die Ungewissheit über die Nachfolge Bidens ist größer geworden. Vizepräsidentin Kamala Harris scheint ganz von der Bildfläche verschwunden zu sein. Schon jetzt stellt sich die Frage, ob sie die richtige Kandidatin für die Nachfolge Bidens ist. Die Niederlage der Demokraten in Virginia bestätigt vor allem die große Instabilität der amerikanischen Politik."

"Dagens Nyheter": Biden regieren lassen

"Eine Rückkehr Trumps wäre ein Unglück sowohl für die USA als auch für die Welt. Präsident Biden muss das Ruder finden, und die Demokraten müssen ihn regieren lassen." (5.11.2021)