Laura Stigger muss bei einem Mountainbikerennen über Stock und Stein. Bei der U23-WM in Val di Sole holte sie Silber im Cross-Country.

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Hügel rauf, Hügel runter. Berg rauf, Berg runter, das alles über Stock und Stein. Mountainbikerinnen sind holprige Rennen gewohnt. Für Laura Stigger hatte die heurige Saison aber besonders "viele Höhen und Tiefen". Das hat weniger mit ihrer Paradedisziplin Cross-Country zu tun, also Rundstreckenrennen in schwierigem Gelände. Vielmehr blickt die 21-Jährige auf ein sportlich abwechslungsreiches Jahr zurück.

Souveräner Sieg

Geendet hat dies mit einem definitiven Höhepunkt: Stigger triumphierte Ende Oktober beim prestigeträchtigen Cape Epic in Südafrika, dem Pendant zur Tour de France auf der Straße. Es ist ein Bewerb für Duos. Ist dieses auf der Strecke über zwei Minuten getrennt, droht eine einstündige Zeitstrafe. Stigger gewann mit ihrer Schweizer Teamkollegin und der Olympia-Zweiten Sina Frei den Prolog und alle sieben Etappen.

Ihre Erwartungen waren niedriger, sie "wollte einfach nur überleben". Wer die Zahlen liest, versteht das: 620 Kilometer und mehr als 15.000 Höhenmeter waren in der Provinz Westkap rund um Kapstadt und den Tafelberg zu absolvieren. Übernachtet haben die beiden Frauen in einem Camper. Tägliche Fahrtzeit: rund vier bis fünf Stunden. "So lange wie in dieser Woche bin ich noch nie am Rad gehockt", sagt Stigger dem STANDARD.

Ohne Kontaktlinse

Einen Schreckmoment erlebte die mehrfache Juniorenweltmeisterin auf der sechsten Etappe rund um Wellington. Sie verlor ihre Kontaktlinse. "Ich habe meine Reservelinse während der Fahrt reingegeben." Blöd nur, dass sich das Malheur wiederholte. Prompt erwischte die Tirolerin die falsche Abzweigung. Das eingespielte Duo konnte aber die Lokalmatadorinnen Candice Lill und Mariske Strauss im Zielsprint noch einholen. "Treten tut man ja mit den Füßen, nicht mit den Augen", sagt Stigger.

Rückblick aufs Cape Epic 2021.
Cape Epic

Auf und Ab

Eine erstaunliche Lockerheit. Wer sich schon einmal durch einen Mountainbiketrail, also eine Art schmalen Wanderweg mit Baumwurzeln da, Steinen dort, durchgekämpft hat, weiß, dass dafür nicht nur die volle Sehkraft, sondern auch höchste Konzentration hilfreich ist – und manchmal die Reaktionsschnelligkeiten einer Jedi-Meisterin.

Stigger dürfte zudem erleichtert sein, dass sie in Südafrika überhaupt starten konnte. Beim Weltcupfinale in Snowshoe (USA) Mitte September war ihr die Kanadierin Laurie Arseneault ins Rad gekracht. Eine schwere Handgelenksverletzung wurde befürchtet, bestätigte sich jedoch nicht.

Der eigene Körper machte der 21-Jährigen heuer immer wieder zu schaffen. Im Mai musste sie beim Weltcup in Nove Mesto, Tschechien, geschwächt aufgeben, im Juni wegen Atemproblemen in Leogang. Zwei Tage später bejubelte sie beim zweiten Heimbewerb den ersten Weltcuppodestplatz ihrer Karriere. Im Juli folgte wieder eine Ernüchterung: Beim Olympiarennen in Tokio musste Stigger in Runde drei völlig erschöpft aufgeben, nachdem sie zwischenzeitlich in Führung gelegen war. Die gebürtige Innsbruckerin "wusste nicht, was los ist".

Laura Stigger (links) bejubelt mit ihrer Schweizer Teamkollegin Sina Frei den Sieg beim achttägigen Mountainbike-Etappenrennen Cape Epic in Südafrika.
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Ärzte stellten bei einem Check keine Auffälligkeiten fest und gaben ihr wieder die Startfreigabe. Prompt gewann sie im August ein Rennen in Basel und wurde in Val di Sole in Italien hinter Landsfrau Mona Mitterwallner U23-Vizeweltmeisterin im Cross-Country. "Das Silber scheint für mich wie Gold", sagte sie.

Stiggers Motto lautet "Olm volle" – immer Vollgas auf Tirolerisch. Es dürfte in der Familie liegen. Ihre Mutter ist Kunstflügen und Bungeejumpen nicht abgeneigt. Ihr Vater, ein Ex-Fußballer, habe ihr den Ehrgeiz weitergegeben. Vielleicht bezeichnet Stigger deshalb die holprige Saison als jene, in der "ich bisher definitiv am meisten gelernt habe". Dass es nicht immer aufwärtsgehen könne, man aus Rückschlägen am meisten lernen und wieder aufstehen müsse. So wie in Südafrika.

Freudvolle Qualen

Der dortige Erfolg bescherte ihr "schon bissl was" an Preisgeld. Stigger, wohnhaft in Haiming, finanziert sich ihre Karriere als Bundesheersportlerin und via Sponsoren. Dazu unterstützt sie das US-Team Specialized. "Über die Runden komme ich, Millionärin werde ich keine." Der Spaß stehe im Vordergrund. Die Ziele für 2022 stehen bereits fest: "Eine konstante Weltcupsaison und bei meiner letzten U23-WM und -EM möchte ich voll zuschlagen." Egal ob mit Kontaktlinsen oder ohne. "Ich quäle mich ziemlich gerne. Wenn es einfach ginge, wäre es ja langweilig. (Andreas Gstaltmeyr, 5.11.2021)