Kurz baute sich ein enges Netzwerk auf. Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann (Zweiter und Dritter von links) zählten zum Team und zählen jetzt auch zu den Beschuldigten.

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Es lässt sich durchaus behaupten, dass es in letzter Zeit schon Wochen gab, die für die ÖVP schlechter verliefen als die vergangene: So wurde zum einen bekannt, dass die Ermittlungen gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zum Teil eingestellt wurden. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) überprüfte, ob Löger als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender Zuwendungen des Privatklinikbetreibers Premiqamed an die ÖVP ermutigt hatte. Die Klinik überwies zweimal 25.000 Euro an die Partei; das eine Mal wurde Löger gerade Finanzminister, das andere Mal war die Erhöhung des Privatklinikenfonds Thema im Ministerrat.

Zum anderen stellte sich ein paar Tage danach heraus, dass alle Anzeigen, die es gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen des Verdachts der Falschaussage im Ibiza- Untersuchungsausschuss gab, keine strafrechtlichen Folgen haben. Und: Der einst mächtige und mittlerweile suspendierte Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek wurde am Wiener Straflandesgericht vom Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, aber wohl trotzdem als Etappensieg zu sehen.

Causa prima läuft weiter

Öffentlich reagierte die ÖVP auf die Justizentscheidungen unterschiedlich: Während mehrere türkise Ministerinnen und Minister im Falle Lögers etwa "Reputationsverlust" und hohe familiäre Belastungen für Betroffene beklagten, verhielt sich die ÖVP überraschend zurückhaltend, was die Anzeigen gegen Blümel betrifft. Auf Anfrage wollte man bei der ÖVP am Freitag zuerst kein Statement dazu abgeben, später thematisierte der Parlamentsklub die Angelegenheit: "Das Strafrecht darf nicht zu einem parteipolitischen Spielball werden", mahnte Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler in einer Aussendung. Die Unschuldsvermutung sei ein "hohes Gut, das auch menschenrechtlich verbrieft ist", dieses gelte es daher "besonders zu schützen".

Doch die Causa prima rund um die Inseratenaffäre schwebt weiterhin wie ein Damoklesschwert über der Kanzlerpartei: Wie am Freitag bekannt wurde, quittieren zwei der engsten Kurz-Berater, die ebenfalls als Beschuldigte geführt werden, nun endgültig ihre Tätigkeit im Kanzleramt.

Nachdem Medienkoordinator Gerald Fleischmann bereits Ende Oktober ausschied, wird auch Pressesprecher Johannes Frischmann nach Urlaubsabbau seine Karriere im Kanzleramt mit Ende des Jahres beenden. Beiden wird Untreue und Bestechlichkeit vorgeworfen. Fleischmann war seit Jahren an Kurz’ Seite, schon 2011 im Integrationsstaatssekretariat tätig und stieg später schließlich zum einflussreichen Medienbeauftragten im Kanzleramt auf, galt etwa als Schlüsselfigur, was die sogenannte Message-Control der ÖVP/FPÖ-Regierung betraf. Beide scheiden laut dem Kanzleramt auf eigenen Wunsch aus. Aktiv tätig waren sie seit Ausbruch der Affäre ohnehin nicht mehr.

Kleines Puzzlestück

Kürzlich mehrten sich zudem Gerüchte, dass die Meinungsforscherin Sabine B. "auspacken" könnte. B. steht neben Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dessen Umfeld sowie Verantwortlichen der Zeitung "Österreich" im Zentrum der Ermittlungen und könnte Kurz schwer belasten. B. soll für die ÖVP und im Speziellen für Kurz frisierte Umfragen erstellt haben, die dann über Scheinrechnungen im Finanzministerium abgerechnet worden und in Österreich erschienen sein sollen.

Die Anzeigen gegen Blümel sind also vergleichsweise kleine Puzzlestücke im Geflecht der Vorwürfe gegen Personen im Zentrum und Umfeld der ÖVP. Die Vorwürfe gegen den Finanzminister wegen Falschaussage im U-Ausschuss gelangten zudem ohnehin nie in das Stadium von Ermittlungen, die WKStA sah keinen Anfangsverdacht. Zudem bedeutet dies nicht, dass in diesem Themenkomplex generell nicht mehr ermittelt wird. Denn die WKStA geht weiterhin dem Verdacht nach, ob Blümel im Zusammenhang mit einer Spende der Novomatic bei Steuerproblemen in Italien behilflich war.

Vom nunmehrigen ÖVP-Klubobmann Kurz selbst war seit seiner Angelobung äußerst wenig zu hören. Bald dürfte die Justiz jedenfalls auch gegen ihn weiterermitteln: Denn Mitte November wird Kurz vermutlich ausgeliefert, nachdem aller Voraussicht nach seine Immunität aufgehoben wird. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Falschaussage. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Vanessa Gaigg, 5.11.2021)