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Bereits am Dienstag, als bekannt wurde, dass eine Schwangere Polin starb, nachdem ihr ein Schwangerschaftsabbruch verweigert worden war, wurde in Polen gegen das strenge Abtreibungsgesetz demonstriert.

Foto: AP Photo/Czarek Sokolowski

Polens Frauen gehen wieder auf die Straße. Abends, wenn es dunkel wird und die Überwachungskameras keine Chance haben, von den Gesichtern klare Aufnahmen zu machen. Die meist jungen Frauen tragen flackernde Kerzen in den Händen, die mutigen auch Spruchbänder oder Plakate mit Aufschriften wie "Keine Einzige mehr!" oder "Auch ihr Herz schlug". In Warschau und Krakau, Łódź, Posen und Breslau protestieren sie auch am Samstag wieder wegen des Todes der 30-jährigen Izabela, die noch leben könnte, wenn die Ärzte ihr geholfen hätten.

Aber nachdem bei Izabela vergangene Woche das Fruchtwasser viel zu früh abgegangen war – bereits in der 22. Schwangerschaftswoche – und ihr Körper den nicht überlebensfähigen Fötus abstoßen wollte, unterstützten die Ärzte nicht den natürlichen Vorgang des Aborts, sondern "stabilisierten" die Schwangere nur. Dann warteten sie auf den Tod des Fötus in der Gebärmutter. Als sie endlich keine Herztöne mehr hörten, schafften sie es nicht, den Leichnam rechtzeitig aus dem Bauch Izabelas zu schneiden. Die junge Frau, die bereits eine kleine Tochter hat, erlitt einen septischen Schock. Da war es zu spät, sie noch zu retten.

Die Staatsanwaltschaft im oberschlesischen Kattowitz ermittelt inzwischen auf Antrag der Familie gegen das Krankenhaus in Pszczyna (Pleß). Wahrscheinlich wird sie den Vorwurf "Unterlassene Hilfeleistung bei Gefahr für Leib und Leben einer Schwangeren" erheben. Doch die Ärzte in Pszczyna verweisen auf das neue radikale Abtreibungsverbot, das das polnische Verfassungsgericht vor rund einem Jahr verhängte. Auf Antrag einiger Abgeordneter der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) strichen die Richter die medizinische Indikation eines schwerst fehlgebildeten oder nicht überlebensfähigen Fötus für einen Schwangerschaftsabbruch und verschärften so das ohnehin sehr restriktive Abtreibungsrecht in Polen ein weiteres Mal.

Ermittlungen so oder so

Hätten sich die Ärzte in Pszczyna dazu durchringen können, den bereits auf natürlichem Wege in Gang gekommenen Abort des kranken Fötus voranzutreiben, hätte die Staatsanwaltschaft wohl ebenfalls gegen sie ermittelt.

Denn seit dem Urteil des Verfassungsgerichts müssen todkranke Kinder zur Welt gebracht werden – auch gegen den Willen der Schwangeren. Egal wie Polens Ärztinnen und Ärzte sich in so einem Konflikt entscheiden – sie stehen immer mit einem Bein im Gefängnis.

Auf Nachfragen polnischer Journalistinnen wiesen PiS-Politiker, die vor einem Jahr die Verschärfung des Abtreibungsrechts gefordert hatten, jede Verantwortung für den Tod der jungen Frau von sich.

"Kommt vor"

Das "Verbrechen der Abtreibung" sei mit der polnischen Verfassung nicht vereinbar, sagte Piotr Uściński von der PiS lächelnd in die Kamera. Marek Suski, ebenfalls von der PiS, zuckte nur mit den Schultern: "Es kommt eben vor, dass Frauen bei der Geburt ihres Kindes sterben."

Am Todestag von Izabela reichte eine katholische Gruppe fanatischer Pro-Life-Aktivisten einen Gesetzesentwurf im Parlament ein, der ein Totalverbot von Abtreibungen fordert, also auch bei Vergewaltigung und Todesgefahr für die Mutter. "Kindsmörder und -mörderinnen" sollen künftig zur Höchststrafe – lebenslänglich – verurteilt werden können.(Gabriele Lesser aus Warschau, 6.11.2021)