Der ANC erlitt eine schwere Schlappe.

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Südafrikas Bevölkerung kann sich auf die Wiederkehr des Messias vorbereiten. Während seiner Amtszeit pflegte Jacob Zuma, Ex-Präsident Südafrikas und selbst ehemaliger Vorsitzender des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), zu sagen, seine Partei werde "bis zur Wiederkehr von Jesus Christus regieren" – dieser Zeitpunkt ist nun in greifbare Nähe gerückt.

Bei den Kommunalwahlen Anfang der Woche, deren Ergebnisse am Donnerstagabend bekannt gegeben wurden, hat die Partei Nelson Mandelas zum ersten Mal seit dem Ende der Apartheid vor 27 Jahren ihre absolute Mehrheit verloren: Landesweit kam die Regierungspartei nur noch auf 46 Prozent – fast acht Prozent weniger als bei den Kommunalwahlen vor fünf Jahren. Schon damals hatte der ANC gegenüber dem Urnengang im Jahr 2011 acht Prozentpunkte eingebüßt. Mavuso Msimang, Mitglied des Nationalen Exekutivrats der Partei, nannte das Wahlergebnis ein "komplettes Desaster".

Weißen-Partei siegt in Kapstadt

Nach wie vor wird der ANC in 161 der 250 Kommunen des Landes allein regieren können, ist jedoch in 66 Kommunen auf eine Koalition angewiesen, falls sich die verbleibenden Parteien nicht gegen ihn verbünden. 13 Kommunen gehen an die oppositionelle Demokratische Partei (DA), zehn an die Inkatha-Partei (IFP). Nachdem der ANC erstmals auch in der Hafenstadt Durban die absolute Mehrheit eingebüßt hat, kann er außer in Bloemfontein in keiner der größeren Städte des Landes mehr alleine regieren. In Kapstadt vermochte sich die von Weißen dominierte DA erneut eine absolute Mehrheit zu sichern. Allerdings musste auch die DA empfindliche Verluste hinnehmen: Sie sackte landesweit von 27 auf 21 Prozent ab. Analysten machen dafür den Rechtsruck der Allianz verantwortlich, die ihre einstige Öffnung gegenüber schwarzen Wählern wieder eingeschränkt hatte.

Die Gründe des ANC-Niedergangs liegen auf der Hand. Sie sind vor allem in der atemberaubenden Korruption und dem Kollaps öffentlicher Dienste in den Kommunen zu suchen. Dort bricht allenthalben die Strom- und Wasserversorgung zusammen, das Schul- und Gesundheitswesen krankt, die Infrastruktur – Straßen und Schienenverkehr – zerbröselt. Die Corona-Pandemie hat die Misere noch weiter verschlimmert: Die Preise und die Arbeitslosenquote steigen, das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung geht zurück.

Zusätzliches Spannungspotenzial

Ob der Denkzettel für den ANC die Lage kurzfristig verbessern wird, ist eher unwahrscheinlich. Die jetzt nötigen Koalitionsverhandlungen in den Kommunen werden eher für zusätzliche Spannungen sorgen: Die politischen Vorstellungen zwischen den Oppositionsparteien liegen meist meilenweit auseinander.

Auch innerhalb des ANC zeichnet sich bereits heute eher eine Zuspitzung der Kämpfe zwischen dem pragmatischen Flügel um den Präsidenten Cyril Ramaphosa und den populistischen Getreuen des Ex-Präsidenten Zuma ab. Letztere versuchen, Ramaphosa für das Wahldebakel verantwortlich zu machen, obwohl dessen Zustimmung beim Wahlvolk deutlich über der zum ANC liegt. Analysten halten die Selbstzerfleischung der ehemaligen Befreiungsbewegung nicht mehr für ausgeschlossen. In drei Jahren stehen Parlamentswahlen an – bis dahin könnte die politische Landschaft Südafrikas sehr anders aussehen. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 5.11.2021)