"Es war sehr befriedigend, zurückzukehren und all den Charakteren wiederzubegegnen": Michael C. Hall über seine Rückkehr als "Dexter".

Foto: SHOWTIME NETWORKS INC.

Der Schluss war zum Weinen und zum Fürchten zugleich. Ein Ende mit Schrecken, das vieles – nein, alles – offen ließ. Dexter Morgan – Achtung, jetzt kommt der deprimierende Spoiler – stieg ins Boot und fuhr davon. Ende.

"Ich war traurig für die Figur", sagt Michael C. Hall zu diesem Schluss, der bis in alle Zeiten zu den schlechtesten Serienenden zählen wird, die es je gegeben hat, und mit dem der Dexter-Darsteller ziemlich eindeutig auch nicht einverstanden ist, auch wenn er es anders formuliert: "Als Schauspieler lernt man, Dinge zu nehmen, wie sie kommen."

Showtime ließ sich jede Rückkehrmöglichkeit offen, und am Sonntag ist es in den USA so weit. Dexter Morgan, charmantester Serienkiller seit Hannibal Lecter, feiert sein Comeback. In Österreich sind acht Folgen von Dexter: New Blood ab 22. November auf Sky zu sehen.

Verantwortlich dafür sind die Fans, die am Ende richtig sauer waren und eine Fortsetzung verlangten. Verantwortlich ist auch Showtime-Präsident Gary Levine, der nach acht Jahren die Zeit für reif befand. Und nicht zuletzt der 50-jährige Schauspieler selbst, der willens war, diese Figur wieder zu spielen und auszubügeln, was damals verpfuscht worden ist. Ein Akt der Wiedergutmachung.

Schnee in New York

Acht Jahre nach diesem mysteriösen Entfleuchen setzt die neue Staffel ein. Dexter Morgan hat sich im Norden eine neue Identität erschaffen. Aus Hitze in Miami, Florida, wurde Schnee in Iron Lake, New York. Bemüht um Unauffälligkeit führt er ein nach außen hin ruhiges Außenseiterdasein in einer Holzhütte am Waldesrand. Und doch.

Einiges erinnert an den alten Dexter. Der Job im Waffengeschäft, Hantieren mit scharfem Gerät, Holzhacken, sein Liebesleben mit der Polizeichefin der Stadt – ausgerechnet. Und da ist noch ein weißer Hirsch im Wald. Und ein testosterongeladener Stänkerer. Der Hirsch wird Probleme bereiten. Der Stänkerer bald nicht mehr.

Nicht zu vergessen die Geister der Vergangenheit. Wir treffen alte Bekannte, und es stellt sich weiterer unerwarteter Besuch ein. Alte Gewohnheiten lassen sich nicht einfach ablegen, und so liegt bald wieder ein mit Plastikplanen festgezurrter nackter Mensch auf der Pritsche und sieht geschliffen scharfen Schneidewerkzeugen ins Auge. Master Dexter wetzt die Messer: "It’s been a long time."

SHOWTIME

"Es war sehr befriedigend, zurückzukehren und all den Charakteren wiederzubegegnen", sagt Hall. Die Figur wieder zu spielen fühlte sich von Anfang an vertraut an: "Seit die Serie zu Ende ist, weiß ich, dass es zumindest die Möglichkeit einer Rückkehr gab. Also steckte Dexter vielleicht irgendwo in mir." An den Drehbüchern war Hall beteiligt, was die Vorbereitung zur Fortsetzung beeinflusste: "Ein Teil der Vorbereitung bestand darin, in die neue Geschichte zu investieren. Aber letztendlich habe ich, als ich am Set war, festgestellt, dass er sich für mich nicht wie ein Fremder angefühlt hat. Ich hatte sofort ein gutes Gefühl dafür, wie und wer er ist und war." Dazu kam die Pandemie: "Ich vermisste die Arbeit."

Dass der Dreh nicht im warmen Süden, sondern im frostigen Norden stattfand, war bewusst gewählt, sagt Hall: "Es war wirklich sehr nett, in einem Umfeld zu sein, das dem vorherigen so wenig entsprach. Es half, die Veränderung zu verstärken, die mit Dexter passiert ist. Er wechselt den Ort und versucht, unter falschem Namen zu leben und eine normale Person zu sein."

So mag der Killer die vergangenen acht Jahre im Winter mit Schneeschaufeln und im Sommer mit Moskitojagd beschäftigt gewesen sein. Sein Interpret widmete sich unterdessen seiner Musikkarriere mit seiner Band Princess Goes to the Butterfly Museum. In David Bowies Musical Lazarus spielte er in New York 2015 die Hauptrolle.

Höhepunkt David Bowie

Dort kam es zur Zusammenarbeit mit dem bereits von Krankheit gezeichneten, 2016 verstorbenen Superstar, von dem sich Hall tief beeindruckt zeigt: "Mit Bowie zu arbeiten war ein Höhepunkt in meinem Leben. Die Aufgabe, eine Figur in einer Produktion zu verkörpern, die eine Art letzte künstlerische Blüte seines Lebens war, macht mich demütig und dankbar. Es war unglaublich und hat mir geholfen, Musik ernster zu nehmen." Bowie sei "einer der größten Musiker des Jahrhunderts" gewesen und "ein unbeschreiblich freundlicher und enthusiastischer Mensch".

Der Soundtrack spielt in der neuen Staffel wieder eine wichtige Rolle, auch da war Hall in den Entscheidungsabläufen dabei. Iggy Pop und Passenger für die Beginnsequenz einzusetzen sei jedoch die Idee von Showrunner Scott Reynolds gewesen: "Er beschreibt Dexters Rolle als Passagier – eine dunkle und von Zufällen bestimmte Reise." Hall redet gern über seine Figur, im Telefon-Call mit Journalisten zerlegt er den Schlächter, setzt ihn wieder zusammen, hinterfragt die eigene Interpretation und seinen Job: "Schauspieler zu sein ist eine wilde Sache", sagt Hall. "Wir springen in Figuren, die uns fremd sind, und geben ihnen eine neue Identität."

Der Widerspruch in der Sympathie mit dem Teufel ist denn auch für ihn das Magische an der Figur – mehr denn je: "Dexters Verlangen nach Menschlichkeit führte dazu, dass Menschen, die ihm nahestanden, ebenso starben wie die Bösewichte, die er tötete." Und: "Der moralische Konflikt macht die Figur interessant." (Doris Priesching, 6.11.2021)