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Mitarbeitende würden sich oft nicht trauen, ehrliches Feedback zu geben, sagt Coach und Gründer Mario Grabner.

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Mitarbeitergespräche sind zu einem wichtigen Instrument für Personalentwicklung und Mitarbeiterbindung geworden. Einmal im Jahr, meist gegen Ende des Geschäftsjahres, tauschen sich Mitarbeitende mit ihren Vorgesetzten abseits der täglichen Arbeitsroutine aus. Im besten Fall anhand eines strukturierten Leitfadens wird Bilanz gezogen, was im vergangenen Jahr gut gelaufen ist, was weniger, welche Entwicklungsmöglichkeiten sich bieten, welche Ziele für kommende Jahr erreicht werden sollen. Mitarbeiter und Vorgesetzte geben einander Feedback.

Doch gerade beim Feedbackgeben sieht Mario Grabner, Coach und Gründer von My NLP, eine Schwachstelle des Gesprächs. "Oft werden nur Dinge besprochen, die kurz vor dem Gespräch vorgefallen sind." Darüber hinaus würden sich Mitarbeitende oft nicht trauen, ehrliches Feedback zu geben, und Führungskräfte wiederum müssen Kritik auch annehmen können, ergänzt er.

Nicht überholt

Dennoch sei das Instrument des Mitarbeitergesprächs noch lange nicht überholt. Zwar werden gerade in Start-ups neue Wege bei der Feedbackkultur gegangen – als Beispiel nennt Grabner das Continuous Performance Management (CPM), das es softwaregestützt Führungskräften und Mitarbeitern ermöglicht, regelmäßig Feedback auszutauschen, um kurzfristige Geschäftsziele zu erreichen. In unsicheren und volatilen Zeiten können so Ziele und Wege dorthin schneller angepasst werden, so Grabner. Aber zur Gänze auf technologischen Lösungen zu setzen sei nicht erwartbar. Für Grabner werde aber das Mitarbeitergespräch dadurch eine Aufwertung bekommen. "Wenn Ziele und Leistungen kontinuierlich überprüft werden, wird Druck aus dem Mitarbeitergespräch genommen." Das bedeute zwar nicht, dass das Gespräch automatisch besser werde, denn dafür brauche es gegenseitiges Vertrauen. Aber wenn das nicht gegeben sei, könne ohnehin kein Mitarbeitergespräch funktionieren.

Auch abseits von technologischen Unterstützungen sollte in Unternehmen ein Umfeld geschaffen werden, das regelmäßiges Feedback zulässt. Führungskräfte sollten die Rolle eines Coaches, der seine Mitarbeiter unterstützt, damit sie ihr Bestes geben können, noch stärker einnehmen.

Gut vorbereitet

Immer mehr Leute, auch Führungskräfte würden vor einem Mitarbeitergespräch ein Coaching in Anspruch nehmen, sagt Grabner. "Die Herausforderung liegt in einer empathischen Gesprächsführung." Führungskräfte seien oft zahlengetrieben, sie beschäftigen sich mit quantitativen Zielen, die man aber nur mit Qualität erzielen kann. Kommunikation sei hier der Schlüssel. So sollten beispielsweise, keine Warum-Fragen gestellt werden, denn das dränge den Mitarbeiter sofort in die Defensive, und das sei für den Gesprächsverlauf kontraproduktiv.

Der Begriff Mitarbeitergespräch wecke, so Grabner, große Erwartungen: Der Mitarbeiter soll sich weiterentwickeln, Potenziale erkennen, und gemeinsam mit dem Vorgesetzten sollen die nächsten Entwicklungsschritte gesetzt werden. Gespräche in kürzeren Intervallen wären aus seiner Sicht empfehlenswert. Er plädiert darüber hinaus für einen neuen Begriff, ein neues Framing dieses Instruments. Coaching würde der Aufgabe viel näher kommen. (Gudrun Ostermann, 11.11.2021)