In welche Steckdose steckt man eigentlich ein Buch? Jüngere Generationen werden von älteren infantilisiert. Zur Unbrauchbarkeit in der "echten" Welt erklärt, es wird ihnen das "Peter-Pan-Syndrom" diagnostiziert – also die Weigerung, "erwachsen" zu werden. Wehleidig, faul – alle gängigen Abwertungen sind kaum aufzuzählen. Da kann der Gegenschlag nicht versöhnlich ausfallen, von der Schuldzuweisung in Bezug auf den Zustand des Planeten über "Okay Boomer" bis zum memetischen Shitstorm rund um spießige, weiße Archetypen wie etwa "Karen" oder "Alman".

Alles sehr weit entfernt von freundschaftlicher Generationenbeziehung und alles eher sehr ungesund für das Gesellschaftsgefüge. Das konstatiert auch Tristan Horx und hat recht – er, der Junge in der Familie der Zukunftsforscher im Zukunftsinstitut. Der 28-Jährige, der aktuell gefragt ist als Vortragender im Fernsehen und der gleich zu Beginn seines Buches festhält, dass ihm seine "hyperindividualisierten" Eltern mit Hippie-Wertekanon die Rebellion versaut hätten.

Aber zurück zu den Generationen, die immer anhand von Altersgrenzen (Babyboomer mit den Geburtsjahrgängen 1946 bis 1964, Generation X, geboren zwischen 1965 und 1979, Generation Y oder Millennials, auf die Welt gekommen zwischen 1980 und 1994, und Generation Z, geboren ab 1995) definiert werden und in vielen Studien und Umfragen auch besonders gerne gegeneinander ausgespielt werden.

Wer kann mit wem?

Sichtbar ist das besonders an Klimafragen und dem großen Lebensthema Arbeit und Jobwelt. Horx ortet ein Dauerfeuer im Stellungskrieg mit scharfer Munition. Wahrscheinlich stimmen ihm viele Führungskräfte zu, die versuchen müssen, mindestens drei Generationen zum gemeinsamen Arbeiten zu kriegen und täglich den Sport des Boomer-Bashings versus Totalabwertung der Generation Z zu moderieren.

Die Arbeitskultur, die uns nach wie vor begleitet, haben jedenfalls die Boomer geprägt, so viel steht fest. Auch wenn wohl Arbeitende in keiner Generation sagen würden "Ja, ich will mich krankarbeiten und keine Zeit für meine Liebsten haben und nach dem Erwerbsleben schnell sterben" – die laute Revolution in Sachen Wandel der Jobwelt – von der sogenannten Work-Life-Balance über die Reduktion der Arbeitszeit auf 30 Stunden bis zum Angriff auf traditionelle Hierarchien und Statussymbole – geht laut Horx von Jüngeren aus. Die vergangenen 19 Monate Pandemie mit erzwungenem Homeoffice, einer Verunmöglichung der kontrollierenden Präsenzkultur und einer ebenfalls erzwungenen Schulung in Vertrauenskultur haben offenbar nicht nur zu einer Radikalisierung der Forderungen nach Neudefinition des Fetischs Erwerbsarbeit bei den Jungen geführt, sondern auch die Älteren gründlich nachdenken lassen.

Wir könnten uns die Zukunft durchaus mal ohne Bashing zwischen den Generationen denken, meint Tristan Horx.
Foto: imago images/Westend61

Kein Zurück

Viele wollen gar nicht mehr zurück ins Büro. "Pyjama-Revolution" nennt der Economist das, womit sich Unternehmen gerade herumschlagen. Gleichzeitig wird in den USA – mit zu Zentraleuropa wenig vergleichbaren Arbeitsbedingungen – von der "great resignation" gesprochen – Millionen werfen ihre Jobs hin, weil sie lieber ein paar Monate arbeitslos sind, als sich weiter einer Jobwelt zu unterwerfen, die sie als quälend empfinden. Für viele Unternehmen ist dieser Rückzug von Arbeitskräften zu einem lebensbedrohlichen Problem geworden.

"Ich finde niemanden, nur mehr Leute, die Teilzeit arbeiten wollen", berichten Firmenchefs auch in Österreich. Da scheinen sich die tiefen Gräben zwischen den Generationen gerade zu überbrücken, ein gemeinsamer Nenner findet sich. Personeller Mangel betrifft fast alle Firmen, und Widerstand gegen die Modelle, die traditionell die Arbeitswelt definieren, regt sich hier und da. Sogar Gewerbe und Handwerk klagen und experimentieren mit Vier-Tage-Wochen, um Personal anzulocken. Das ist vielfach so – aber auch nicht nur: Es gibt Junge, die Aufstieg durch Anpassung erreichen wollen. Und es gibt früher Geborene, die an ihrem Arbeitsleben nichts ändern wollen. Weil es für sie passt oder weil die Gleichung von Einsatz und Entlohnung nicht gefährdet werden kann oder will.

Die Generation Corona

Tristan Horx konstatiert zwar, dass wir "noch nicht gelernt haben, wie wir wirklich intergenerational miteinander harmonieren können". Er sieht es allerdings als "Aufgabe der Generation Corona", optimistische Szenarien mit Leben und Energie zu füllen. Da kommt die Abschaffung absoluter Deutungshoheiten bestimmter Vertreter älterer Generationen wieder ins Spiel – etwa "weniger" und "Verzicht". Was sich als "viel" anfühle, werde bald nicht mehr aus Konsumanhäufung bestehen, sondern aus großen Mengen von erspürter Zeit für das eigentlich Wichtige. Qualität statt Quantität. "Mehr Zeit für Zwischenmenschliches ist ein schönes, oft vergessenes Nebenprodukt der Automatisierung und der Digitalisierung."

Ganz im Sinne eines Zukunftsforschers prognostiziert Tristan Horx: "Die Generation Corona wird nicht mehr digital sein, sondern postdigital." Damit sieht er auch gute Chancen, die vielen gesellschaftlichen Spaltungen zu überwinden. Und er bringt auch die Möglichkeit ins Spiel, dass sich die Kommunikation insgesamt, abgestellt auf Profitmaximierung und Verzweckung, wesentlich ändert: "Das wird sich die Generation C nicht mehr gefallen lassen." (Der generationenbeschreibende Buchstabe in der Reihe von Y und Z ist also gefunden.)

Die wesentlichste Botschaft zum Umdenken ist allerdings: Wir dürfen aufhören, Generationen anhand von Geburtsjahren zu definieren. Halten wir uns an Werte, um Menschengruppen zu beschreiben und mit ihnen in Kommunikation zu treten, sind wir besser dran. (Karin Bauer, 10.11.2021)