Wasserstoff wird als Möglichkeit gesehen, CO2 aus Industrie und Verkehr zu drängen.

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Wasserstoff (H2) gilt als Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende. Gerade dort, wo Energieeffizienz und die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen nicht ausreichen, um die CO2-Emissionen signifikant zu senken, könnte klimafreundlich hergestellter Wasserstoff die Lösung sein. Das zumindest sagen Experten unter Hinweis auf Sektoren wie Industrie und Verkehr seit vielen Jahren schon. Außer diversen Forschungsprojekten gibt es in Österreich bis jetzt noch wenig Herzeigbares. Das soll sich nun ändern.

Ein Energieerzeuger im Süden des Landes ist drauf und dran, das erste kommerzielle Wasserstoffprojekt Österreichs auf die Beine zu stellen. Noch heuer will Energie Steiermark mit dem Bau einer Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff beginnen. "Geredet wird viel, was denn nicht alles zu tun wäre für eine saubere Umwelt. Worauf es aber ankommt, ist, Projekte auf den Boden zu bringen. Genau das machen wir jetzt", sagte Martin Graf, Vorstandsdirektor der Energie Steiermark, dem STANDARD.

Investment von gut zehn Millionen Euro

Gebaut wird im südsteirischen Gabersdorf (Bezirk Leibnitz) auf einem 10.000 Quadratmeter (m2) großen Areal. Die Gesamtkosten beziffert Graf mit gut zehn Millionen Euro, wovon rund 2,6 Millionen Euro durch Klima- und Energiefonds, FFG, Kommunalkredit Public Consulting gefördert werden, Covid-Investitionsprämie inklusive.

Teil des Projekts ist auch die Errichtung einer Photovoltaikanlage mit einer Kollektorfläche von 6000 m2, die mit den Ressourcen einer bereits bestehenden Biogasanlage zusammengespannt werden soll. Im ersten vollen Produktionsjahr 2023 will man 160 Tonnen grünen Wasserstoff herstellen.

Wasserstoff gilt als Problemlöser bei der Dekarbonisierung von Industrie und (Schwer)verkehr, aber auch als Speichermedium.
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Die Abnehmer stehen bereits fest. Es sind dies die Wolfram Bergbau & Hütten AG, die im nahegelegenen St. Martin im Sulmtal Recycling von Sekundärrohstoffen betreibt. Das zum schwedischen Sandvik-Konzern gehörende Unternehmen, das hochwertige Pulver auf Basis des Metalls Wolfram herstellt, wird 71 Tonnen grünen Wasserstoff abnehmen und damit Erdgas ersetzen. Den Rest haben sich die Grazer Verkehrsbetriebe gesichert, die eine Umrüstung ihrer Busflotte auf Elektro- und Wasserstoffantrieb planen.

Förderungen und fixe Abnehmer essenziell

"Ohne Klarheit zu haben über die Abnehmer und die Investitionsförderungen, hätten wir nicht den Beschluss fassen können, in diese Anlage zu investieren", sagte Graf. Grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, sei um etwa den Faktor drei teurer als grauer Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen. Graf: "Grauer Wasserstoff kostet Pi mal Daumen zwei Euro das Kilo, grüner Wasserstoff hat einen Marktpreis von plus/minus sechs Euro."

Erste Ideen für eine Wasserstoffproduktion wurden bei Energie Steiermark bereits 2018 gewälzt. Im selben Jahr hat die damalige türkis-blaue Bundesregierung das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus beauftragt, die österreichische Wasserstoffstrategie auszuarbeiten. Im darauffolgenden März gab es eine Auftaktveranstaltung, seither nichts Wesentliches mehr. Während Länder wie Deutschland, Portugal, Frankreich und auch die EU selbst ihre Wasserstoffstrategien bereits vorgelegt haben, ist diese in Österreich noch immer Gegenstand von Verhandlungen.

"Es wäre wünschenswert, bald zu erfahren, wie die Rahmenbedingungen aussehen. Sonst werden viele vor Investitionen in diese wichtige Technologie zurückscheuen", sagte Graf.

Hohe Nachfrage für Wasserstoff in ganz Europa

Wasserstoff ist nicht nur als Möglichkeit zur Dekarbonisierung in Industrie und Verkehr im Gespräch, sondern auch als Speichermedium, um saubere Energie vom Sommer in den Winter zu transferieren. Der Wirkungsgrad des ganzen Kreislaufes von Strom zu H2 und wieder zurück zu Strom liegt aber deutlich unter 50 Prozent und ist niedriger als bei anderen Speichertechnologien. Der Bedarf an Wasserstoff insgesamt aber steigt steil an.

Das Beratungsunternehmen Roland Berger erwartet, dass allein im Mobilitätsbereich die Nachfrage für Wasserstoff in Europa von aktuell knapp zehn Millionen Tonnen bis 2050 auf gut 45 Mio. Tonnen steigen wird. Wasserstoffimporte und der innereuropäische Transport werden demnach signifikant zunehmen.

Grauer und blauer Wasserstoff

In einer Übergangsphase sei damit zu rechnen, dass auch grauer und blauer Wasserstoff (CO2 wird bei Entstehung abgeschieden; Anm.) zum Einsatz kommen werde. "Wenn wir warten, bis genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, dauert das zu lange," sagt Roland Falb, geschäftsführender Partner des Roland Berger Büros in Wien. Es gehe darum, Wasserstoff in breitem Stil in der Industrie und im Verkehrssektor zu implementieren und damit in eine Kostendegression zu kommen. Sobald die Produktionskapazitäten entsprechend hochgefahren seien, werde grüner Wasserstoff grauen oder blauen Wasserstoff sukzessive ersetzen, ist Falb überzeugt. Grüner Wasserstoff, das sei schon absehbar, müsse zu einem substanziellen Teil auch importiert werden aus Ländern, wo genügend Flächen für Windkraft und Photovoltaik zur Verfügung stehen.

(Günther Strobl, 6.11.2021)