Gerhard Milletich war seit 2012 Präsident des burgenländischen Fußballverbandes. Sein Weg führte ihn nun an die Spitze des ÖFB.

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Die erste größere Dienstreise führt Gerhard Milletich in seiner neuen Funktion als Präsident des österreichischen Fußballbundes ÖFB nach Klagenfurt. Die WM-Qualifikation wurde zwar vergeigt, die letzten Spiele am 12. November gegen Israel und drei Tage später gegen Moldau schaut er sich aber pflichtgemäß an. Es ist sein Antrittsbesuch beim Team. Danach wird gründlich analysiert.

STANDARD: Was fasziniert Sie am Fußball?

Milletich: Ich bin mit Fußball aufgewachsen, habe als Kind dauernd gespielt, hatte allerdings keine lange aktive Karriere, hörte mit 17 auf. Ich war absolut nicht in der Lage, ein Topniveau zu erreichen. Ich bin dann rasch ins Funktionärsgeschäft eingestiegen, war 35 Jahre in Parndorf tätig. Ich bin kein Romantiker, mich fasziniert die grundsätzliche Geschichte. Man hat ein Team, du bist von Mitspielern abhängig, und sie sind es von dir. Jeder ist Teil des Erfolgs und Misserfolgs. Die sportliche Führung muss passen. Bist du gut, spenden die Zuschauer Applaus. Bist du schlecht, pfeifen sie. Es kann zwar nicht jeder Champions League spielen, aber es geht überall ums Gemeinsame.

STANDARD: Geht es dem Männernationalteam gut, geht es dem ÖFB gut. Stimmt die These?

Milletich: Bedingt. Der ÖFB ist viel mehr als das Nationalteam der Männer. Grundsätzlich ist die Nationalmannschaft das Flaggschiff. Ist sie erfolgreich, haben viele, vom ÖFB-Präsidenten abwärts, Ruhe. Ruhe unter Anführungszeichen. Sie ist auch ein wirtschaftlicher Faktor. Bei Siegen sind die Stadien voller, es ist einfacher, Sponsoren zu lukrieren. Ein starkes Nationalteam ist die halbe Miete.

STANDARD: Aktuell geht es dem Team aber schlecht, es hat seit der sehr passablen EM quasi Mietrückstand. Die WM-Qualifikation war ein ziemliches Desaster, die Leistungen waren zum Teil extrem schwach. Die abschließenden Partien in Klagenfurt gegen Israel und Moldau sind sportlich wertlos, es dürfte Zuschauererminusrekorde geben. Was erwarten Sie? Gibt es Ihrerseits Vorgaben?

Milletich: Ich bin überzeugt, dass wir den Lehrgang erfolgreich bestreiten. Danach setzen wir uns zusammen und evaluieren. Die Mannschaft muss sich beweisen, dem Trend entgegensteuern, das Vertrauen der Fans zurückgewinnen.

STANDARD: Teamchef Franco Foda steht schwer in der Kritik, das Verhältnis zu Spielern soll gestört sein. Wie schaut seine Zukunft aus? Kann man sagen: Sollte Österreich nicht zweimal gewinnen, ist Foda Geschichte?

Milletich: Nein. Wir schauen uns den Lehrgang an und sehen dann weiter. Sportdirektor Peter Schöttel ist natürlich gefragt, sich immer nach Alternativen umzuschauen.

STANDARD: Es ist aber auch nicht so, dass Foda im Fall von zwei Siegen zwangsläufig bei den Playoffs im März auf dem Bankerl sitzt?

Milletich: Alles ist offen. Ich kann auch nicht sagen, dass er bei zwei Unentschieden nicht mehr Teamchef ist. Das wäre verkehrt. Man muss seriöserweise abwarten.

STANDARD: Sind Foda und Schöttel getrennt voneinander zu beurteilen?

Milletich: Ja, die beiden hängen nicht zusammen.

STANDARD: Sie gelten als typischer, ehrenamtlicher Funktionär, stehen nicht unbedingt für Aufbruchstimmung. Was entgegnen Sie?

Milletich: Ich trete für Nachhaltiges ein. Im Fußball und im Berufsleben. Etwas zu verändern, um des Verändern Willens, ist total falsch. Es geht immer um das Langfristige.

STANDARD: Sie stehen der SPÖ nahe, Vorgänger Leo Windtner war ein Schwarzer beziehungsweise Türkiser. Sind Besetzungen in Österreich immer auch ein Politikum?

Milletich: Das glaube ich nicht, meine Wahl war kein Politikum.

STANDARD: Die Errichtung des Kompetenzzentrums in Wien-Aspern genießt oberste Priorität, oder?

Milletich: Ja, absolut. Geht man den ÖFB im Happel-Stadion besuchen, glaubt man, man benützt den Hintereingang irgendeiner Lagerhalle. Das entspricht nicht dem heutigen Standard. Noch wichtiger ist: Wir haben keine sportliche Heimstätte. Will eine Auswahl trainieren, müssen wir schauen, ob wir irgendwo einen Platz bekommen. Das kann es nicht sein. Wir müssen Herr im eigenen Haus sein. Das ist die Grundvoraussetzung für eine positive Zukunft. In Aspern hätten wir dann exklusiv zwei Rasenplätze, ein kleines Stadion für die Nachwuchsteams. Die Herbergssuche ist dann vorbei.

STANDARD: Gibt es noch andere Baustellen, die man zuschütten muss?

Milletich: Ich habe keine großen Baustellen gesehen. Der ÖFB ist grundsätzlich gut aufgestellt.

STANDARD: Thema Breitensport. Nicht zuletzt aufgrund der Pandemie hat der ÖFB rund 170.000 Vereinsspielerinnen und -spieler verloren. Es gibt zwar nette Werbekampagnen, aber kann man die Leute wirklich wieder zurückgewinnen?

Milletich: Wir müssen versuchen, das aufzuholen. Es ist unsere Pflicht, Kinder zum Sport, in meinem Fall zum Fußball, zu bringen. Das funktioniert nur über die Schulen. Wir müssen in die Schulen gehen, Mädchen und Buben animieren. Das ist eine meiner größten Herausforderungen.

STANDARD: Gerät die Pyramide nicht überhaupt ins Wanken? Viele Vereine wollen gar nicht aufsteigen, das geht rauf bis in den Profibereich.

Milletich: Wichtig ist, dass überhaupt Fußball gespielt wird. Das Schlechteste ist, da gibt es viele Beispiele, zu glauben, dass man über Schulden Erfolge kaufen kann. Das gelingt maximal auf kurze Sicht, ist nachhaltig aber eine Katastrophe. Mattersburg war da ein Extrembeispiel. Aber es passiert leider auch im Amateurbereich.

STANDARD: Thema Frauenfußball: Das A-Team hat durchaus Erfolge, die Liga stößt allerdings auf äußerst geringes Interesse. Sollte man die Bundesligavereine verpflichten, eine Frauenmannschaft zu stellen? Red Bull Salzburg oder Rapid haben keine.

Milletich: Es wäre wünschenswert. Aber es hängt immer auch von der Nachfrage ab. Da sind wir noch nicht so weit, es geht langsam. Zwingen kann ich niemanden. Wir setzen auch auf Überzeugungskraft, heuer sind beispielsweise Altach und der LASK neu dabei.

STANDARD: Ist der globale Profifußball zu abgehoben und inflationär? Es geht in erster Linie, das ist keine weltbewegende Erkenntnis, ums Geld.

Milletich: Natürlich geht es ums Geld. Das ist halt so. In allen gesellschaftlichen Bereichen. Wenn ein Verein international spielt, braucht er einen großen Kader. Und viel Geld. Sonst haben die Spieler keine Ruhephasen. Salzburg kann sich das in Österreich leisten.

STANDARD: Eine von der Fifa angedachte WM im Zweijahresrhythmus wird vom europäischen Verband Uefa strikt abgelehnt. Auch von Ihnen?

Milletich: Ja, ganz klar. Das wäre völlig falsch.

STANDARD: Besteht die Gefahr, dass sich der Fußball selbst umbringt?

Milletich: Umbringt nicht, aber er erleidet möglicherweise Schaden. Andererseits hat der Fußball schon viele Rückschläge verkraftet. Er ist ein ewiges Auf und Ab.

STANDARD: Werden Sie sich in Klagenfurt bei David Alaba und Co vorstellen?

Milletich: Ich werde sicher im Zuge des Lehrgangs Kontakt aufnehmen. Ich werde irgendwo aufschlagen und mich persönlich vorstellen. Sie sollen wissen, wer der Gerhard Milletich ist. (Christian Hackl, 6.11.2021)