Es begann zauberhaft und verheißungsvoll. Nach der Bundestagswahl wollten Grüne und FDP als die "Kleineren" nicht von SPD oder Union zu Gesprächen gebeten werden, sondern selbstbestimmt auswählen, mit wem sie sich die nächsten vier Jahre auf der Regierungsbank einlassen.

Man dinierte gemeinsam, veröffentlichte ein Selfie, das gleich Kultstatus erlangte, und sprach so viel von Wertschätzung und Vertrauen, dass Deutschland aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Die Konkurrenten kuschelten.

Sind die Grünen und die FDP am Ende ihrer Flitterwochen angelangt?
Foto: APA/FDP/instagram/Volker Wissing

Nun jedoch ist man offensichtlich am Ende der Flitterwochen angekommen. Es gibt in den Ampelgesprächen Streit ums Grundsätzliche, also um Klimaschutz und Finanzen. Erstaunlich ist das nicht, denn die drei Parteien liegen zum Teil weit auseinander. Darüber kann die Schwärmerei vom neuen grün-liberalen "Fortschrittszentrum" nicht hinwegtäuschen.

Natürlich wäre es gut, wenn Olaf Scholz (SPD) bald zum Nachfolger von Angela Merkel gewählt wird und die neue Regierung loslegen kann. Dennoch gilt bei den Ampelverhandlungen: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.

Es hat keinen Sinn, gleich zu Beginn zu schludern und Differenzen zuzudecken. Wenn die Verhandlungen ein wenig länger dauern, dafür die Koalition später besser arbeitet, dann ist das gut investierte Zeit. Auch deshalb sollten sich die Beteiligten mit öffentlichen Klagen über unterschiedliche Standpunkte zurückhalten – und diese lieber untereinander klären. (Birgit Baumann, 5.11.2021)