E-Mobilität sei alltagstauglich, sagt Hauke Hinrichs. Den Geschäftsführer des E-Mobilitätsdienstleisters Smatrics beschäftigt derzeit unter anderem die Eichrechtsrichtlinie, die auch mit der Abrechnung an der Ladesäule zu tun hat.

STANDARD: Wie lange muss der Staat noch kräftig fördern, bis E-Mobilität so richtig in Gang kommt?

Hinrichs: Die ist ja schon richtig in Gang. Wir haben stark steigende Neuzulassungszahlen in Österreich.

STANDARD: Aber wir haben mehr als fünf Millionen Verbrenner und nicht einmal hunderttausend E-Autos auf den Straßen.

Hinrichs: Gemessen an der Gesamtzahl ist das nicht viel, aber 20 Prozent der Neuzulassungen sind mit Stecker und davon der Großteil batterieelektrisch. Ich glaube, dass die steuerlichen Vorteile noch ein paar Jahre bleiben müssen, gerade für Dienstwagen. Das wird innerhalb der nächsten fünf Jahre runtergehen. Schon heute ist ja ein Elektroauto gemessen an den Total Costs of Ownership dem Verbrenner gleich.

STANDARD: Deutschland hat höhere Ankaufförderungen als Österreich. Müssten wir justieren?

Hinrichs: Deutschland hat gemessen an den Anreizen und Förderungen Österreich überholt. Österreich war sehr früh dran und sehr gut. Nachdem die Automobilindustrie in Deutschland sehr mächtig ist und klar sagt, wir steigen um, fördern die Deutschen jetzt auch stärker.

Bis Jahresende könnten 90.000 Stromer neu für den Verkehr zugelassen werden. Die Tendenz steigt – allen Unkenrufen über die Unzulänglichkeiten der Technologie zum Trotz.
Foto: APA/Barbara Gindl

STANDARD: Österreich war tatsächlich früh dran. Trotzdem ist die Anzahl an Stromern überschaubar. War die Förderung falsch konzipiert?

Hinrichs: Wir haben kein Nachfrageproblem, wir haben immer ein Angebotsproblem gehabt. Wir haben ein kleines Segment mit Kleinfahrzeugen und ein High-Class-Segment – teuer und ganz günstig also. Die leistbaren Fahrzeuge kommen jetzt erst auf den Markt. Die Pipeline ist voll, die Automobilhersteller überschlagen sich förmlich mit Ankündigungen, wer nicht wie viele E-Modelle bringt. Und alle überschlagen sich mit Bekenntnissen, wann man den Verbrenner de facto komplett ins Aus schiebt. Die großen deutschen Hersteller sagen: 2030–2035. Österreich möchte 2030 die letzten Verbrenner zulassen. Das ist ambitioniert, aber die Richtung stimmt.

STANDARD: Die Infrastruktur ist aber noch nicht so weit.

Hinrichs: Es kommen immer wahnsinnig viele Vorurteile, dass es keine Ladeinfrastruktur gibt, die Fahrzeuge viel zu teuer sind. Inzwischen ist das aber vollkommen alltagstauglich. Ich fahre über 30.000 Kilometer elektrisch im Jahr und bin noch nie liegen geblieben. Es ist auch Übungssache. Es gibt eigentlich keine großen Ausreden mehr gegen Elektromobilität.

STANDARD: Sie als VIP-Smatrics-Kunde haben einen Vorteil, weil Smatrics ein großes Netz an Schnellladestationen hat. Für viele andere Kunden ist es wohl nicht so komfortabel.

Hinrichs: Aber jeder Wien-Energie-Kunde oder Kelag-Kunde kann im Smatrics-Netz laden.

STANDARD: Nicht zum selben Preis.

Hinrichs: Nein. Da gibt es Unterschiede. Smatrics-Kunden zahlen Smatrics-Preise, und wir haben einen anderen Preis bei der Kelag, und Kelag-Kunden haben im Kelag-Netz einen eigenen Preis und bei uns einen anderen Preis. Das ist wie im Roaming. Die meisten Kunden haben zwei Karten im Auto. Sie können aber an jeder Ladesäule in Österreich mit einem QR-Code und Eingabe der Kreditkarte ad hoc laden.

Hinrichs: "Wir haben bei E-Autos immer ein Angebotsproblem gehabt. Die leistbaren Fahrzeuge kommen jetzt."
Foto: Smatrics/ Photo Simonis

STANDARD: Beim Stromtanken gibt es verschiedene Preismodelle, ähnlich wie beim Mobilfunk. Für Konsumenten undurchschaubar und schwer zu vergleichen. Gut für die Anbieter, oder?

Hinrichs: Es gibt sicherlich komplizierte Tarife. Wir haben einen ohne Grundgebühr, einen mit 15, einen mit knapp 50 Euro. Das ist fast eine Flatrate, und dann zahle ich für die Ladeleistung einen Fixpreis beim Smatrics-Netz und einen Fixpreis beim Roaming. Manche Anbieter bepreisen sehr flexibel, etwa pro Ladesäule, oder sagen, die Kelag kostet mehr als die Wien Energie, und haben viele verschiedene Preisstufen. Dass man dann davor steht und verwirrt ist, da verstehe ich die Kritik.

STANDARD: Wäre es nicht der Sache dienlich, wenn man eine einheitliche Maßeinheit und mengenbezogene Preise nach Kilowattstunde hätte?

Hinrichs: Wir haben das heute nach Nutzungszeit, weil uns das Eichrecht einen Strich durch die Rechnung macht. Wir können in Österreich bei neuer Ladeinfrastruktur, die wir bauen, Kilowattstunden abrechnen. Aber wir haben das Problem, dass der Bestand umgebaut werden muss und der Hersteller das im Moment nicht umbauen kann, weil er die Zulassung nicht hat. Ich würde sofort auf Kilowattstunden umsteigen, kann’s bloß nicht, weil mein Bestand – Stand heute – nicht eichrechtskonform ist.

STANDARD: Die bestehenden Ladesäulen sind nicht eichrechtskonform?

Hinrichs: Nicht nach der neuen Eichrechtsrichtlinie. Ich müsste sie alle umrüsten, oder ich müsste sie alle abreißen. Das diskutieren wir jetzt mit den Behörden. Es ist eine Sache, wo der Verbraucher sich aufregt, was ich verstehe. Aber wir können derzeit nicht, es gibt auch gar keine technische Lösung. Selbst wenn ich für die alten Ladesäulen eine hätte, dauert es Jahre, bis ich sie umbaue.

STANDARD: Das wird ja für Kunden noch verwirrender.

Hinrichs: Ja, ich kann dem Kunden nicht zumuten, dass er versteht, das ist eine neue Ladestation, da können wir nach Kilowattstunden abrechnen, und das ist eine alte Ladestation, wo ich nur nach Zeit abrechnen kann. Dann wird er ja komplett verwirrt. Das ist gerade mein Problem. Ich habe die technische Lösung nicht, manche Ladestationen lassen sich gar nicht nach den neuen Richtlinien umrüsten. Das heißt, wir brauchen Bestandsschutz. Eine Lösung wie in der Schweiz wäre gut – bis zum Stichtag x gibt es Bestandsschutz, alles darüber hinaus muss den neuen Richtlinien entsprechen.

Manche Anbieter bepreisen sehr flexibel, pro Ladesäule und mit vielen Preisstufen.
Foto: Imago/Christian Spicker

STANDARD: Was auch immer herauskommt, es klingt aufwendig.

Hinrichs: Ich hoffe, dass wir bis Ende des Jahres eine saubere Lösung haben. Es gibt Infrastrukturen, die Zähler haben, die nicht genau messen. Die müssen wir alle abbauen. Die ersten haben wir vor sieben, acht Jahren gebaut. Ich spreche gerade von AC-Säulen. Die ältesten DC-Säulen, die Schnellladesysteme mit 50 kW, haben damals zwischen 20.000 und 30.000 Euro gekostet. Ungefähr hundert sind betroffen. Wir haben einmal alles zusammengerechnet. Da kommt ein deutlicher Millionenbetrag raus.

STANDARD: Stichwort Geld. Siemens und die OMV sind bei Smatrics ausgestiegen. Die haben sich offenbar keine großen Ertragschancen ausgerechnet.

Hinrichs: Ich lüfte kein großes Geheimnis, wenn ich sage, dass es ganz, ganz wenige Firmen gibt, die in der Elektromobilität profitabel sind. Das sind sicher nicht die, die in Infrastruktur investieren, das rechnet sich langfristig.

STANDARD: Wann wollen Sie profitabel werden – oder wann müssen Sie?

Hinrichs: In den nächsten Jahren. Wir haben die Asset-Gesellschaft, das Joint Venture mit der EnBW, die die großen Ladehubs baut. Da brauchen wir noch vier bis sechs Jahre. Mit der Servicegesellschaft, die Smatrics, die IT macht und Technologie, wollen wir früher Geld verdienen.

STANDARD: Was ist lukrativer?

Hinrichs: Langfristig das Infrastrukturgeschäft. Das ist sehr einfach, weil man hat einmal den Standort, das läuft wie ein Wasserkraftwerk. Aber man muss früh dran sein. Die IT skaliert besser und wirft größere Deckungsbeiträge ab, und ich kann dann in die Nachbarländer sehr leicht mit Services reingehen. (Regina Bruckner, 8.11.2021)