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Milorad Dodik hat vor einigen Wochen konkrete Schritte zur Sezession des Landesteils Republika Srpska angekündigt.

Foto: AP/Radivoje Pavicic

Nachdem der Chef der größten bosnisch-serbischen Partei SNSD, der radikale Nationalist Milorad Dodik, vor einigen Wochen konkrete Schritte zur Sezession des Landesteils Republika Srpska angekündigt hat, sind nun die entsprechenden Vorhaben des Parlaments der Republika Srpska publik geworden, die im Oktober gefasst wurden und Mitte November umgesetzt werden sollen. Demnach sollen die Kompetenzen auf der gesamtstaatlichen Ebene über Transfervereinbarungen auf die Ebene der Republika Srpska übertragen werden – und zwar in den Bereichen Justiz, Armee, Steuern, Telekommunikation, Grenzpolizei, Personaldokumente und Kennzeichen.

Das Parlament der Republika Srpska will demnach Gesetze beschließen, wonach Entscheidungen des Hohen Repräsentanten, aber auch Entscheidungen des Verfassungsgerichts von Bosnien-Herzegowina "rückgängig" gemacht werden. Viele dieser Schritte – es handelt sich um 128 Gesetze und 114 weitere Rechtsakte – stellen einen Bruch der Verfassung von Bosnien-Herzegowina dar.

"Zone der Unregierbarkeit"

Diplomaten zufolge soll mit dem Vorgehen offenbar eine "Zone der Instabilität und Unregierbarkeit" in Bosnien-Herzegowina geschaffen werden, in der die Rechtsstaatlichkeit geschwächt wird, was wiederum dem autokratischen Regime von Milorad Dodik in der Republika Srpska (RS) dazu dienen könne, dass es nicht rechenschaftspflichtig gemacht werden kann. Den Diplomaten zufolge geht es Dodik vor allem darum, die Institutionen zu schwächen, vor allem die Justiz.

Bei einem der Rechtsakte geht es um den Hohen Justizrat. "Das Gesetz über den Hohen Justiz- und Staatsanwaltschaftsrat von Bosnien und Herzegowina gilt ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes über den Hohen Justiz- und Staatsanwaltschaftsrat der Republika Srpska nicht mehr im Hoheitsgebiet der Republika Srpska", heißt es in dem Parlamentsentschluss der Republika Srpska. Das Austreten der RS aus dem Hohen Justizrat hat weitreichende Konsequenzen.

"Stecker nicht herausziehen"

Der Verfassungsrechtler und ehemalige EU-Berater beim Hohen Justiz- und Staatsanwaltschaftsrat von Bosnien und Herzegowina (HJPC), Jens Woelk, weist darauf hin, dass der HJPC im Jahr 2004 durch ein Gesetz eingerichtet wurde. Die Aufgabe des HJPC ist, die Aufrechterhaltung einer unabhängigen, unparteiischen und professionellen Justiz zu gewährleisten. "Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über den HJPC wurde 2009 vom Verfassungsgericht von BiH bestätigt. Ein solches Übereinkommen, auf dessen Grundlage eine staatliche Institution errichtet wurde, kann weder einseitig noch kurzfristig gekündigt werden", moniert Woelk.

"Sollte eine Entität das dennoch wollen, muss ein Verhandlungsprozess begonnen werden, um eine einverständliche Lösung zu finden, welche auch den Folgen für das Gesamtsystem Rechnung trägt. Keinesfalls kann – nach über 15 Jahren – einfach der Stecker herausgezogen werden, ohne sich um die Konsequenzen für die anderen Justizsysteme und den Gesamtstaat zu kümmern. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz erfordern, gerade im Justizbereich, verantwortliches und verantwortungsbewusstes Handeln", so Woelk.

"Dankbar für Verständnis"

Während die politischen Vorhaben der SNSD von Diplomaten und Politikern schärfstens zurückgewiesen werden, die sich für den liberalen Rechtsstaat, die Verfassung und die territoriale Integrität und Souveränität von Bosnien-Herzegowina einsetzen, besuchte der rechtspopulistische, antiliberale Premier von Ungarn, Viktor Orbán, am Samstag Dodik in Banja Luka. "Wir sind dankbar für das Verständnis, das Ungarn für die Republika Srpska hat, und wir sind immer da, um unsere guten Freunde zu empfangen", sagte Dodik, der die ungarische Delegation in Laktaši, seinem Heimatort bei Banja Luka, empfing. Begleitet wurde Orbán von Außenminister Péter Szijjártó. Die Unterstützung Orbáns für Dodik kommt gerade zu einem Zeitpunkt, an dem der rechtsradikale Nationalist seine gefährliche Agenda auf die Spitze treibt.

Nachdem die EU-Integration von Bosnien-Herzegowina seit langem überhaupt nicht vorankommt, meint ein hochrangiger Diplomat aus einem EU-Staat: "Die illiberale Visegrád-Gruppe in der EU versucht nun offenbar eine Visegrád-Gruppe-Erweiterung auf dem Balkan durchzuführen. Der Besuch von Orbán bei Dodik ist ein Beispiel dafür." Verwiesen wird in dem Zusammenhang auch darauf, dass Orbán den rechtspopulistischen Ex-Premier von Nordmazedonien, Nikola Gruevski, der wegen Amtsmissbrauchs verurteilt wurde, Asyl gab, nachdem dieser sich einer Haftstrafe in seiner Heimat entzogen hatte.

Kein Gesprächspartner mehr

Doch nicht nur Orbán traf sich mit Dodik, auch Angelina Eichhorst vom Europäischen Auswärtigen Dienst kam kürzlich nach Sarajevo. Die EU hat bisher keine erfolgreichen Maßnahmen gesetzt, um Dodiks Sezessionsvorhaben und der Destabilisierung des Staates Einhalt zu gebieten. Der EU-Abgeordnete Thomas Waitz von den Grünen warnt deshalb: "Jede Art von Bestärkung der nationalistischen und illegalen Separationsvorhaben ist schädlich, gefährlich und gegen das Interesse der EU. Milorad Dodiks Vorstöße bedeuten einen klaren Bruch des Daytoner Abkommens. Aufgrund seines Verhaltens kommt Dodik damit auch als Gesprächspartner nicht mehr infrage. Ihn als solchen zu akzeptieren bedeutet eine Aufwertung, die kontraproduktiv ist. Ich fordere volle Transparenz aller Gespräche und keine Verhandlungen in Hinterzimmern."

Am Montag besucht der Sondergesandte des US-Präsidenten für den Westbalkan, Gabriel Escobar, der sein Amt erst kürzlich übernahm, Sarajevo. Im Frühjahr wird auch der US-Botschafter in Bosnien-Herzegowina wechseln: Auf Eric Nelson folgt der Balkan-erfahrene Michael Murphy. Präsident Joe Biden nominierte zudem Christopher Hill, der Ende der 1990er-Jahre eine herausragende Rolle bei den Friedensverhandlungen zwischen Serbien und der Kosovo-Befreiungsarmee spielte, zum nächsten US-Botschafter in Belgrad. (Adelheid Wölfl, 7.11.2021)