Löhne und Gehälter in der Metallwarenindustrie steigen um 3,55 Prozent.

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Ohne Peitsche geht es offenbar nicht. Dieser Eindruck drängt sich nach dem Theater in der Herbstlohnrunde auf, die traditionell von der Metallindustrie eröffnet wurde. Gesiegt hat nach gefühlt hundert Verhandlungsstunden wieder einmal das Sitzfleisch. Anders ist der in der Nacht auf Sonntag erzielte Kompromiss zwischen dem Arbeitgeberverband der 1200 Unternehmen der Maschinen- und Metallverarbeitungsindustrie und den Gewerkschaften kaum zu erklären.

Der Druck seitens der Beschäftigten in den Betrieben gepaart mit gewerkschaftlichem Aktionismus auf der Straße und vor Werkstoren, der durch andere Metallindustriebranchen wie Stahl- und Fahrzeugindustrie verstärkt wurde, hat Bewegung gebracht. Ob der Abschluss angemessen ist, wird man sowieso erst in zwei Jahren wissen. Da steht dann fest, wie hoch die Inflationsrate im Jahr 2022 (für diesen Zeitraum gilt die Kollektivvertragserhöhung) tatsächlich war und was an Reallohnsteigerung übrig blieb, netto, versteht sich.

Vielschichtige Kunst des Lohnverhandelns

Darin besteht die vielschichtige Kunst des Lohnverhandelns: Dass vergangene Entwicklungen, allen voran Teuerung und Produktivitätszugewinne, abgegolten werden – idealerweise mit einem kleinen Polster, der künftige Entwicklungen in Spurenelementen zu antizipieren vermag. Auf diesem Prinzip basiert die sogenannte Benya-Formel, die der Langzeit-ÖGB-Präsident mit seinem Sozialpartnergegenüber Rudolf Sallinger von der Wirtschaftskammer etabliert hatte. Die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale sollte so dauerhaft ausgeschaltet sein.

Genau deshalb stellt sich nun die Frage nach Taktik und Verhandlungsstil beider Verhandlungspartner im jüngsten Poker. Das vorliegende Ergebnis hätte die Industrie billiger haben können. Zumindest was die eingesetzte Zeit betrifft. Denn dass die Gewerkschafter im Lichte der massiven Teuerung von Energie und Treibstoffen das angebotene Lohnplus von 2,75 Prozent nicht akzeptieren werden oder können, war selbst für Laien anhand der wirtschaftlichen Eckdaten erkennbar. Jeder Tag Verzögerung treibt den Abschluss in die Höhe, das war klar.

Sparsamkeit ist angebracht

Andererseits erhöhen die von Russland geschürte Gaskrise, die Fracht- und Lieferkettenprobleme sowie sprunghaft gestiegene Preise für Rohstoffe und Vormaterialien die Produktionskosten der Unternehmen. Mit Blick auf anstehende massive Verteuerungen, die in den Verkaufspreisen ziemlich sicher nicht zur Gänze unterzubringen sind, ist Sparsamkeit angebracht. Es steht nicht weniger als die Konkurrenzfähigkeit der in Österreich erzeugten Waren und Produkte auf dem Spiel. Im Vergleich mit China zählt jeder Zehntelprozentpunkt.

Das wussten und wissen die Arbeitnehmervertreter natürlich, zumal jede weitere Automatisierung Arbeitsplätze kostet, also ihre Basis ausdünnt.

Dennoch haben sie mit Blick auf die Teuerung die populistische Karte ausgespielt. Unerträglich hoch ist der Abschluss wohl nicht, sonst hätten die Unternehmer nicht zugestimmt.

Der stille Gast am Tisch

Reich werden die Beschäftigten in der Metallindustrie aber auch mit dem mit der Brechstange erzwungenen Plus von 3,55 Prozent nicht. Denn am Tisch sitzt immer auch ein stiller Gast: der Staat. Er frisst vom Zuwachs – Stichwort kalte Progression, hohe Arbeitskosten, Kammerumlagen – einen Teil weg. Dieses Problem lässt sich am grünen Tisch der Sozialpartner nicht wegverhandeln. (Luise Ungerboeck, 7.11.2021)