Mit einem Messenger alle Kontakte erreichen? Das wird wohl auch auf absehbare Zeit ein Wunschtraum bleiben.

Foto: Damien Meyer / AFP

Die aktuelle Realität von Messenger-Diensten ist eine ziemlich ernüchternde: Whatsapp ist zwar weitverbreitet, doch auch nach der Umbenennung des Mutterkonzerns Facebook auf Meta ist dieses Naheverhältnis längst nicht allen geheuer. Entsprechend haben alternative Angebote wie Signal, Telegram oder auch Threema zuletzt deutlich stärkeren Zulauf bekommen – dort erreicht man aber erst recht wieder nur einen Teil der eigenen Kontakte. Das Ergebnis: Auf den meisten Smartphones findet sich eine Fülle unterschiedlicher Messenger-Apps.

Zusammenarbeit als Lösung?

In dieser Situation drängt sich eine naheliegende Idee auf: Wie wäre es, wenn alle dazu verpflichtet werden, zusammenzuarbeiten? Eine solche Interoperabilität forderte etwa das Europaparlament bereits im September 2020. Angesichts dessen, dass geschlossene Plattform immer einen gewissen "Lock in"-Effekt haben, der den Wechsel auf alternative Anbieter erschwert, sollte man eigentlich meinen, dass die Konkurrenz Feuer und Flamme für so eine Idee ist – und würde sich damit täuschen.

Praktisch alle bekannten Messenger-Dienste sprechen sich gegen eine verpflichtende Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Anbietern aus. Dies geht aus einer Untersuchung des deutschen Bundeskartellamts hervor, in deren Rahmen die Betreiber von 44 Messenger- und Videodiensten befragt wurden. Lediglich drei kleinere Open-Source-Anbieter votierten laut dem nun verfügbaren Zwischenbericht für eine solch vorgeschriebene Kooperation über mehrere Clients hinweg. An einer freiwilligen Zusammenarbeit hätten prinzipiell zwar mehr Anbieter Interesse, daran beteiligen würde sich aber auch nicht einmal ein Viertel all der befragten Dienste.

Spurensuche

Diese deutliche Ablehnung hat dabei mehrere Gründe. So warnen viele der Anbieter davor, dass solche Vorhaben zu einer Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner führen könnten. Darunter würde nicht nur die Funktionalität der Programme leiden, sondern auch Privatsphäre und Sicherheit. Zudem verweisen die Messenger-Anbieter darauf, dass die Nutzung unterschiedlicher Konten für verschiedene Dienste längst nicht immer ein Ärgernis darstellt, sondern oftmals auch erwünscht ist, um verschiedene Kommunikationskanäle klar zu trennen. Gerade Nischenanbieter – etwa aus den Bereichen E-Learning oder auch für Unternehmenskunden – hätten gar kein Interesse daran, dass ihre Dienste mit anderen zusammenarbeiten.

Ein guter Teil der befragten Anbieter hält solche Vorstellungen aber ohnehin für unrealistisch, da die mit einer Interoperabilität einhergehenden technischen Probleme "grundsätzlich (...) nicht überwindbar" seien, wie es im Zwischenbericht heißt – müssten dafür doch sämtliche Dienste von Grund auf umgestaltet werden, was auch massive Kosten für alle Beteiligten verursachen würde.

Wachsende Zweifel bei der Politik

Eine verpflichtende Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Messenger-Diensten scheint aber auch aus anderen Gründen zurzeit unrealistisch. So warnte Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager erst vor wenigen Monaten öffentlich vor entsprechenden Plänen. Im schlimmsten Fall könnte man so eine Art SMS zurückbekommen – und das wolle wirklich niemand. Immerhin können zwar mit klassischen Textnachrichten sämtliche Mobiltelefone erreicht werden, in Hinblick auf Funktionalität oder auch Sicherheit kann SMS aber schon lange nicht mehr mit aktuellen Messengern mithalten.

Modernere Nachfolgestandards wie RCS konnten hingegen bisher nur begrenzt Fuß fassen, da auch wichtige Smartphone-Anbieter wie Apple lieber eigene Wege beschreiten. Andere Bestrebungen für gemeinsame Messenger-Protokolle wie Matrix bleiben bisher ebenfalls auf Nischenanbieter beschränkt, werden von den großen Apps also nicht unterstützt. (Andreas Proschofsky, 9.11.2021)