Zu wenige helfende Hände in der Altenpflege: Heimbetten stehen wegen Personalmangels leer, bei mobilen Diensten gibt es Wartelisten.
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Heimbetten stehen leer, weil das Personal zur Betreuung fehlt: Quer durch Österreich mehren sich Meldungen über den Pflegenotstand. Das Phänomen sei keinesfalls auf die stationären Einrichtungen beschränkt, sagt Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie. Wer etwa in der Niederlassung in Salzburg um eine mobile Pflegeleistung anfragt, der komme auf eine Warteliste mit 80 Personen: "Wir können die Menschen nicht einmal an andere Anbieter verweisen, weil es denen ähnlich geht."

Regierungspolitiker haben zwar versprochen, die Missstände zu beheben, doch Moser vermisst die entscheidende Grundlage. "Eine ordentliche Pflegereform sehen wir im Budget nicht abgebildet", sagt sie. "Es braucht mehr Geld, das muss man in aller Direktheit sagen."

Zeitdruck lässt Pfleger aussteigen

Die Leiterin der Hilfsorganisation denkt in erster Linie gar nicht einmal an höhere Gehälter, um den Pflegeberuf zu versüßen. Natürlich würde die Diakonie liebend gerne mehr zahlen, wenn die öffentliche Hand das finanziert, sagt Moser, doch die Wurzeln des Problems lägen tiefer. Eines sei in den Belegschaften oft zu hören: "Mehr Geld wäre super, aber ..."

Häufig seien es Zeitnot und Stress, die zum Ausstieg aus dem Job führten. Viele erlebten den Pflegeberuf in der Praxis eben nicht als so "erfüllend", wie das in der Theorie gerne verheißen werde, sagt Moser: In der Ausbildung lernten angehende Fachkräfte, was gute Pflege ausmache, doch unter dem Arbeitsdruck der Realität lasse sich all das schwer einlösen.

Zeitdruck und Stress zermürbten Pflegekräfte, sagt Diakonie-Direktorin Katharina Moser und fordert bessere Personalausstattung: "Es braucht mehr Geld, das muss man in aller Direktheit sagen."
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Vieles sorge für Frust: Überstunden seien in der Corona-Krise noch einmal angewachsen, Dienstpläne hielten oft nicht, weil für ausgefallene Kollegen eingesprungen werden muss. Die öffentliche Hand – zuständig sind die Bundesländer – müsse also dringend den "Personalschlüssel" verbessern, so die Conclusio: Auf eine Pflegerin oder einen Pflegerin dürften nicht mehr so viele Patienten kommen wie bisher.

Mehr Schulplätze, weniger Kosten

Damit für neu geschaffene Posten genügend Personal gefunden wird, fordert die Diakonie Verbesserungen im Ausbildungssystem, das – wie könnte es hierzulande anders sein – zwischen Bund und Ländern zersplittert ist.

Ein guter Ansatz sei ein Schulversuch, der nun in sein zweites Jahr gegangen ist: An sechs Schulen in Österreich gibt es eine Ausbildung zum Pflegefachassistenten oder Diplomsozialbetreuer, die mit einer Matura endet. Wer diesen Weg einschlägt, ist also nicht auf alle Zeiten auf die Pflege festgenagelt, was junge Menschen abschrecken kann – dank Latein steht sogar ein Medizinstudium offen. Es bräuchte aber noch locker 20 Schulen mehr, sagt Moser.

Entscheidend sei auch, dass Ein- und Umstiegswillige nicht durch Kosten abgehalten werden. Manche Ausbildungsschienen laufen über private Schulen öffentlichen Rechts, die zur Deckung der Ausgaben Schulgeld einheben. Nur zum Teil springen Länder ein.

Angehende Polizisten haben es besser

Moser verschweigt nicht, dass die Bundesregierung im Budget extra Geld für die Pflegeausbildung veranschlagt hat. Doch die jeweils 50 Millionen für die nächsten drei Jahre reichten vielleicht, um das Schulgeld zu ersetzen und die bisher unbezahlten Praktika abzugelten, glaubt sie. Eine Absicherung, wie es sie in einer anderen Berufsgruppe gibt, lasse sich damit nicht finanzieren: Wer Polizist werden will, erhält bereits im ersten Ausbildungsjahr gut 1.700 Euro brutto im Monat. Angehende Pflegerinnen und Pfleger müssen hingegen je nach Ausbildungsvariante vielfach auf eigene Kosten über die Runden kommen – was einen Berufsumstieg enorm erschwert.

Für 26. November hat die Regierung die Pflegevertreter zu einem runden Tisch geladen – die Zeit dränge, warnt Moser. Unter pflegenden Angehörigen wachse die Verzweiflung, weil es zu wenig Unterstützung gebe: Kommen diese Menschen nicht mehr zurande, "steuern wir auf eine Versorgungslage zu, die eines europäischen Landes unwürdig ist". (Gerald John, 8.11.2021)