Greta Thunberg reist um die Welt, und die BBC ist mit Kameras dabei.

Foto: BBC Studios

Ihre Kritiker würden sie eine "Göre" oder einen "Dummkopf" nennen, sagt Greta Thunberg. Sie habe aber gelernt, mit dem Hass zu leben, und schöpfe ihre Energie aus der positiven Resonanz auf ihr Tun. "Aus irgendeinem Grund hören mir die Leute zu, wenn ich rede." Die Leute sollten aber nicht auf sie hören, mahnt sie, sondern auf die Wissenschaft. "Die Politiker benehmen sich wie Kinder, deswegen müssen wir die Erwachsenen sein."

Die schwedische Klimaschutzaktivistin hat sich Mitte des Jahres 2019 eine Auszeit genommen, um ein Jahr lang ihren Kampf für den Klimaschutz zu intensivieren. Sie trifft Expertinnen und Experten, hält Reden und appelliert an Politikerinnen und Politiker, endlich zu handeln. Was Thunberg auf ihren Reisen erlebt, fängt ein Kamerateam der BBC ein. Herausgekommen ist die dreiteilige Dokureihe "Greta Thunberg: Ein Jahr, um die Welt zu verändern", die am Sonntag auf Sky Nature zu sehen war sowie auf Abruf über Sky Q und Sky X verfügbar ist.

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Berufswunsch Wissenschafterin

Die Doku bietet intime Einblicke in das Gefühlsleben der heute 18-Jährigen, die über sich selbst sagt, dass sie nicht anders könne, als ihre Stimme für den Klimaschutz zu erheben. Sie habe die moralische Pflicht dazu: "Für die Leute bin ich eine wütende Jugendliche, die Staatsoberhäupter anschreit, aber das bin ich nicht." Es falle ihr sehr schwer, im Mittelpunkt zu stehen. "Als ich jünger war, habe ich mich als Wissenschafterin gesehen, die im Labor arbeitet und nie das Tageslicht sieht." Jetzt herrsche bei jedem ihrer Auftritte ein großer Trubel, was sie einerseits freue, andererseits aber eine Belastung sei: "Ich muss das akzeptieren, um möglichst viele Menschen zu erreichen."

Greta Thunberg.
Foto: BBC Studios

Thunberg bekam im Alter von elf Jahren Depressionen, sie wollte nicht mehr in die Schule gehen und konnte nichts mehr essen. Mit zwölf Jahren wurde das Asperger-Syndrom diagnostiziert – eine Variante des Autismus. Heute sagt Thunberg: "Vieles in der Welt, in der wir leben, habe ich gehasst." Aus dem Hass ist Engagement geworden. Thunberg initiierte 2018 die "Schulstreiks für das Klima", die in weiterer Folge in der weltweiten Bewegung Fridays for Future resultierten.

Über den Atlantik

Im November 2019 besuchte Thunberg Kanada und die USA, um sich etwa vom Gletscherrückgang in den Rocky Mountains ein Bild zu machen oder um in Kalifornien mit von verheerenden Waldbränden Betroffenen zu sprechen.

Thunberg überquerte dann von New York aus mit einem Segelboot den Atlantik, um 5.500 Kilometer weiter am Weltklimagipfel in Madrid teilzunehmen, der kurzerhand von Chile in die spanische Hauptstadt verlegt worden war. "Ich kann nicht betonen, wie wichtig der Klimawandel ist, und dann das nächste Flugzeug nehmen", erklärte Thunberg ihre Überfahrt, die in Lissabon endete. Auf dem Schiff sieht man, wie sich Thunberg in eine Decke kauert und davon spricht, dass sie seekrank sei. Andererseits genieße sie die Ruhe, um "einfach einmal unsichtbar und ich selbst zu sein". Das gelingt nicht oft.

Mediale Inszenierung Greta vs. Trump

Das Weltwirtschaftsforum in Davos im Jänner 2020 wurde medial als Duell der Giganten inszeniert. Hier ist US-Präsident Donald Trump, der auf den Klimaschutz pfeift, und dort steht Greta Thunberg, die der Welt die Leviten lesen wird. Eine Interpretation, mit der Thunberg nichts anfangen kann und die sie zu einer Medienschelte ausholen lässt. Sie werde zur "Anti-Trump-Figur" stilisiert: "Das Einzige, was die Medien interessiert, ist Greta gegen Trump." Es gehe ihnen nur um Schlagzeilen oder möglichst viele Klicks: "Was ich eigentlich in der Rede gesagt habe, wird gar nicht erwähnt. So kommen wir nicht weiter."

Was gekommen ist, ist Corona. Die Pandemie hat den Klimaschutz aus den Schlagzeilen verdrängt. Auch Thunberg und ihr Vater, der sie auf den meisten Reisen begleitet, erkranken an Corona. Sie müssen in Stockholm bleiben. Der Protest geht vom Wohnzimmer aus weiter.

Menschliche Seite

Die Stärke der Doku ist, dass sie auf der einen Seite einzelne Aspekte des Klimawandels wie Gletscherschmelze oder Überschwemmungen anhand von Thunbergs Stationen kontextualisiert, andererseits den Menschen hinter der toughen Klimaaktivistin zeigt. Mit allen Facetten. Von der leidenschaftlichen Rednerin, die Massen mobilisiert, bis zur zerbrechlichen Persönlichkeit, die im Rampenlicht der Welt erwachsen wird. (Oliver Mark, 9.11.2021)