Bischöfe leisten Abbitte.

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Am Wallfahrtsort Lourdes haben sich die französischen Bischöfe am Montag mit den Folgen des Pädophilieberichts von Anfang Oktober auseinandergesetzt. Darin hatte eine zivile Untersuchungskommission die Zahl von 216.000 minderjährigen Opfern seit dem Jahr 1950 genannt – oder sogar 330.000 Opfern, wenn man die nichtkirchlichen Täter von Ferienkolonien und Katechismusunterricht einbezieht.

Die Bischofskonferenz anerkannte am Montag die "institutionelle Verantwortung" der Kirche, womit sie einräumt, dass der sexuelle Missbrauch nicht nur die individuelle Ebene betreffe, sondern eine "systemische Dimension" habe. "Wir stehen zu dem Gewicht der Vergangenheit", erklärte Konferenzvorsteher Eric de Moulins-Beaufort. "Es gibt das Schlechte in der Menschheit, und wir müssen uns mit diesem immer noch gegenwärtigen Übel konfrontieren."

Weitgehende Wiedergutmachung

Konkret will die Bischofskonferenz alles tun, um die Opfer zu entschädigen und eine möglichst weitgehende Wiedergutmachung zu ermöglichen. Sie schafft zu dem Zweck Arbeitsgruppen, die unter der Leitung von Zivilpersonen stehen sollen. Als Dachrat fungiert eine unabhängige nationale Kommission unter Leitung der Juristin Marie Derain de Vaucresson.

Konkret erklärte Moulins-Beaufort, die Kirche werde eine Anleihe aufnehmen, um die noch lebenden, heute meist erwachsenen Pädophilie-Opfer zu entschädigen. Zudem werde sie Immobilien, Liegenschaften und mobile Vermögenswerte abstoßen. Der Vorsteher der Bischofskonferenz machte klar, dass die sonntäglichen Geldspenden der Messbesucher nicht für die Entschädigung benutzt würden. In den letzten Wochen hatten sich auch prominente Kirchenvertreter dagegen ausgesprochen. Viele Gläubige erklärten, sie seien nicht bereit, für die Verbrechen von Priester einzuspringen.

Keine konkreten Zahlen

Die Höhe der Entschädigung steht noch nicht fest. Moulins-Beaufort erklärte nur, die Sonderbeiträge würden "soweit wie nötig" gehen. Im Vorfeld des Untersuchungsberichts hatte die Bischofskonferenz von fünf Millionen gesprochen. Dieser Betrag wurde von vielen Katholiken und anderen Franzosen als viel zu tief bezeichnet. Auch jetzt wird kritisiert, dass Moulins-Beaufort keine Zahl nannte. Der Mitgründer des katholischen Vereins "Parler et revivre" (Sprechen und wieder leben), Olivier Savignac, verlangte am Montag, dass auch der Vatikan sein "Sparschwein öffnen" solle.

Offen ist auch noch, wie die katholische Kirche mit den Tätern umspringen will. Interne Gerichte sollen die Beschuldigten nach kanonischem Recht beurteilen, wobei erstmals auch die Opferseite vertreten sein soll. Gerichtsklagen vor zivilen Gerichten steht in den meisten Fällen die Verjährung entgegen.

Der Leiter der Untersuchungskommission, Jean-Marc Sauvé, hat nach der Anhörung von mehreren hundert Opfern selber gegen 22 Kirchenvertreter Klage eingereicht. Diese Zahl scheint geradezu lächerlich gegenüber von 216.000 Pädophilie-Opfern. Bei dieser letzten Zahl handelt es sich allerdings um eine Extrapolation aufgrund wissenschaftlicher Kriterien. Der Justiz oder Kirche sind 4.832 Personen namentlich bekannt. Viele haben von sich aus auf eine Klage verzichtet, und das nur zum Teil wegen der Verjährungsfristen. Das Medienecho des Sauvé-Berichts war und ist allerdings so groß, dass die Gerichte mit einer Welle von Anzeigen rechnen. (Stefan Brändle, 8. 11. 2021)