Laura Karasinski und ihre Französische Bulldogge Mimi, die sich vom Begrüßungsritual erholt, das sie Besuchern der Wohnung angedeihen lässt.

Foto: Mafalda Rakoš

Es ist ein typisches Gässlein in der Wiener Josefstadt. Putzig-niedrige Barockhäuser in Pastellfarben wechseln sich mit Gründerzeitriesen ab. Dann und wann taucht auch ein Neubauklotz auf. Über ihnen malt ein Flieger einen kerzengeraden Strich in den sehr blauen Herbsthimmel. Der Kondensstreifen ist weiß wie Firnschnee.

Unten auf der Erde tapsen alte Damen mit ihren Hündchen über den Gehsteig, Kinder kommen von der Schule an einem Cello-Geschäft vorbei, passieren einen Friseur, Fahrradabstellplätze und Cafés, in denen es bestimmt Hafermilch gibt. Es ist ein friedliches Viertel im kleinsten Bezirk Wiens, in dem die Welt sehr in Ordnung zu sein scheint. Und das schon sehr lange.

Die organisch geformte Tischplatte des Esszimmertisches ist ein Entwurf aus der Feder Karasinskis, seine hölzernen muschelförmigen Beine fand die Designerin in Miami.
Foto: Mafalda Rakoš

Auch Laura Karasinski wohnt in diesem Grätzel, und zwar im dritten Stock eines Hauses, das sie auf 1918 datiert. Ganz sicher ist sie sich nicht. Steigt man die Treppen hinauf, fällt der Blick aus dem Stiegenhaus in den Innenhof des Hauses, in dem ein großer Götterbaum und andere Baumriesen ihr sattes, herbstliches Farbangebot zeigen. Schaut man über sie hinweg, zeigt sich ein Ausschnitt des Palais Strozzi, das 1702 für Gräfin Maria Katharina Strozzi fertiggestellt wurde.

Nippes aus aller Welt

Dem Klingeln an der Türe von Laura Karasinski folgt ein Trappeln und Gekläffe im Stakkato-Modus. Es stammt aus dem Maul von Mimi. Mimi ist eine Französische Bulldogge, zwei Jahre alt und Mitbewohnerin von Laura Karasinski. Sie springt am Besucherknie hoch, hält dies ein Weilchen lang durch, setzt sich dann röchelnd auf ihren Hintern und lässt ihre Aufgeregtheit einer Art Schnarchen weichen.

Die Wohnung von Laura Karasinksi, so viel ist klar, bevor der Kaffee auf der organisch geformten Acrylglas-Tischplatte serviert wird, ist eine Wunderkammer. Ein gigantischer Setzkasten, der dem Auge des Betrachters auf angenehme Weise keine Ruhe lässt.

Das Schreibtischmodell mit versteckter Hausbar, weiß die Designerin, kam in den 1960er-Jahren in der Wirtschaftskammer zum Einsatz.
Foto: Mafalda Rakoš

Jedes Stück in der 150 Quadratmeter großen Wohnung, einem Paradies- und Parade-Testgelände für Staubwedel, scheint wohlüberlegt seinen Platz gefunden zu haben. Egal, ob es sich um die zahlreichen Bilder und Plakate an den Wänden handelt, den Nippes aus aller Welt oder ein sehr altes Zebrafell im Wohnzimmer, das vielleicht noch Hemingway in Tsavo oder sonst wo begegnete.

Seine Streifen werden von der wunderbaren Leuchte Arco von Achille und Pier Giacomo Castiglioni beleuchtet. Und dem Schein von 24 Kerzen, die auf einer zum Ständer umgebauten Baumwurzel stecken. Ihr zur Seite steht der rote Wittmann-Sessel Constanze, ein Prototyp von 1958. Über all dem, auf dem schwarzen Plafond, klebt eine üppige, weiße Stuckinsel.

Musenküsse

Es wundert nicht wirklich, dass die 31-jährige Laura Karasinski auf diese Art wohnt. Während des Studiums in der Klasse für Grafik und Werbung bei Walter Lürzer an der Wiener Angewandten gestaltete sie Flyer für so ziemlich jeden Club in Wien. Schon vor zehn Jahren hat sie ihr "Atelier Karasinski" gegründet, wird Artdirektorin, Verpackungsdesignerin, Kuratorin, Grafikerin und natürlich auch Interieur-Designerin genannt.

Der mehr als geräumige alte Bauernschrank in der Küche Karasinskis stammt noch von der Vormieterin der Wohnung, einer Burgschauspielerin.
Foto: Mafalda Rakoš

Auf ihrer Kundenliste finden sich Namen wie Neni, Campari, Do & Co, Austrian Airlines, Adlerhof, Nuri, Louis Vuitton, das Schwarze Kameel, Erste Bank, Motto und einige mehr. "Forbes" nannte sie vor fünf Jahren eine der 30 spannendsten österreichischen Unternehmerinnen unter 30.

Ihre Musenküsse sind dabei so vielfältig wie überraschend. In der Küche thront ein klotzender, blitzblauer Bauernkasten, das Erbe der Vormieterin, einer Burgschauspielerin. Der Vorraum zu Küche und Bad ist ein kleines Palmenhaus samt Discokugel und alten Fließen am Boden, der Waschtisch im Bad steht auf dem Gestell einer sehr alten Singer-Nähmaschine, und die Beine ihres Wohnzimmertisches bestehen aus weiß gestrichenen, hölzernen Riesenmuscheln, die Karasinksi in Miami erbeutete.

Auch das WC in der gefinkelt verwinkelten Wohnung ist fesch und gestreift dekoriert und nicht nur, wie so oft, ein kaltes Bedürfniskammerl. "Jeder Raum ist ein Raum", sagt Karasinksi und zeigt auf neun leuchtende Kugeln, die gleich kleinen Monden von der Decke baumeln, ein Entwurf aus ihrer Feder. Mit einer Fernbedienung schaltet sie Lichtlein sonder Zahl ein.

Schiffskajüte

Das kleine Schlafzimmer mit einer riesigen Wandmalerei, die zwei Flamingos vor einer palmengesäumten Küste zeigt, erinnert mit seinen Vorhängen vor dem Bett an eine Schiffskajüte. An anderem Getier tauchen noch ein Porzellandackel und ein Zebra, ebenfalls aus Porzellan, auf. Nicht zu vergessen das große Schaukelzebra im Vorraum. "Ich liebe Zebras", sagt Karasinski, während ein Omnibus einmal mehr die Fensterscheiben im Erker des froschgrün gestrichenen Wohnzimmers brummen und zittern lässt.

Auch im Vorraum der 150 Quadratmeter großen Wohnung kommt das Auge des Besuchers kaum zur Ruhe.
Foto: Mafalda Rakoš

Duftkerzen in verschiedensten Noten begleiten die Fortsetzung des Ausflugs in eine Menge stilistischer Welten olfaktorisch. Besonders in die Nase steigt das Odeur der Orange, das irgendwie gut zu der Wandfarbe Korallenrot im Vorraum der Wohnung passt. "Korallen sind toll. Wussten Sie, dass Schmuck aus Korallen gegen böse Energien hilft?" Der Besucher wusste es nicht. Bis jetzt. Farben sieht Karasinski ebenso wie ihre Objekte als Ausdruck von Freude und Lebendigkeit.

Verschiedene Quellen

Gespeist wird dieses lebendige Designmuseum von verschiedenen Quellen. Die Möbel, Gläser, Büsten, LPs stammen zum Teil von Willhaben, zum Teil von Karasinskis Großeltern. Daneben steht ihr Schreibtisch vor einer gut gefüllten, aber fast geometrisch geordneten Pinnwand.

Das macht aber gar nichts. Die Farbe, welche die Wand hier trägt, wird Korallenrot genannt. Karasinski mag Korallen. Und Zebras. Und unzählige Dinge mehr ...
Foto: Mafalda Rakoš

"Solche Tische standen in den 1960er-Jahren in der Wirtschaftskammer", weiß Karasinski. Das Wandregal neben der Fensterfront, das die Entwerferin auf einem Bauernhof außerhalb Wiens gefunden hat, ist ein Entwurf und Prachtstück aus den 1960er-Jahren, und zwar des Dänen Poul Cadovius.

"Ich umgebe mich mit so vielen Dingen, weil sie schön sind und mir Freude machen und mir gute Laune bereiten, mir Energie schenken und für Erinnerungen stehen. Ich brauche diesen Ort für meine Psychohygiene", sagt die Gestalterin, deren Familie in den 1970er-Jahren aus Polen nach Wien kam.

Dörflicher Charakter

"Außerdem mag ich kleine Sachen, denn ich habe gern den Überblick. Vielleicht wohne ich deshalb auch so gerne in der Josefstadt, wo ich vor zehn Jahren dieses Zuhause fand. Als Eremetin, wie ich mich bezeichne, schätze ich den dörflichen Charakter."

In den Schlaf wird Laura Karasinski von zwei Flamingos auf einer Tapete in ihrem kajütenartigen Schlafzimmer begleitet.
Foto: Mafalda Rakoš

Beim Begriff Wohnen denkt sie an einen Kokon oder einen Mutterbauch, auch eine Ladestation. "Wenn ich nicht von meiner Wohnung aufgeladen wurde, fühle ich mich nicht wohl. Die Wohnung ist Wärme, Schutz und mein Boden. Was sie mir gibt, gebe ich ihr zurück. Darum sieht sie so aus, wie sie aussieht", meint Karasinski, die davon träumt, eines Tages das alte Häuschen ihrer Großeltern an einem See in Polen vom Fundament aufwärts zu renovieren.

Foto: Mafalda Rakoš

Karasinski hegt ein großes Faible für das Wiederbeleben alter Handwerkstraditionen und würde sich gern mehr der Gestaltung von Objekten widmen. Zum Beispiel? "Eine Gläserserie, ein Sessel, eine Türklinke oder ein Bügelbrett. Warum eigentlich kein Bügelbrett?" Ja, warum eigentlich nicht?

Sinn für Ästhetik

Ob einem Menschen Geschmack oder, sagen wir, das Bewusstsein für Design in die Wiege gelegt wird, möchte man von ihr wissen. "Ich denke, dass das Umfeld schon prägend ist, bei manchen ist einfach auch der Sinn für Ästhetik ausgeprägter. Ich bin zum Beispiel auf Baustellen aufgewachsen. Da gibt es unzählige Kinderfotos von mir. Der Geruch meiner Kindheit ist der von Zement", erzählt die Tochter einer Immobilienmaklerin und eines inzwischen pensionierten Innenausstatters, der einige Häuser gebaut hat und diese nach Fertigstellung immer wieder gleich verkauft habe.

Foto: Mafalda Rakoš

Als der Kaffee ausgetrunken ist und Mimi wieder in den Hüpfmodus wechselt, sagt Karasinski: "Es macht mich traurig, wenn alte Wohnungen totrenoviert werden, wenn man sich nicht überlegt, warum sie so und so geplant wurden. Das hatte alles gute Gründe, und ich bin froh, dass ich mir ein bisschen Restwahnsinn aus der Baustellenzeit meiner Kindheit erhalten konnte."

Einmal nannte Karasinski ihre Wohnung "vollgestopft mit dem Konglomerat ihres Lebens". Wie gut, dass sie gerade ein Zimmer ihrer Wohnung leergeräumt hat, denn das Konglomerat dürfte noch wachsen. (Michael Hausenblas, RONDO exklusiv, 14.11.2021)