Wer am vergangenen Wochenende bei einer der Wiener Impfstraßen vorbeischaute, konnte feststellen: Die "Schnitzelpanik" hatte die Stadt fest im Griff. Lange Warteschlangen zur Corona-Schutzimpfung überall, nachdem Regierung und Bundesländer am Freitagabend die 2G-Regel für den Freizeitbereich fixiert hatten: Nur wer geimpft oder genesen ist, darf künftig noch ins Wirtshaus gehen, körpernahe Dienstleistungen genießen oder an Kultur- und Sportveranstaltungen teilnehmen. Die Stadt reagierte und öffnete über das Wochenende alles an Impfmöglichkeiten, was es zu öffnen gab.

Nicht so in einigen anderen Bundesländern. Oberösterreich öffnete am Sonntag eine einzige Impfstraße, in Tirol war nur ein Impfbus unterwegs. Wie kann es sein, dass man mancherorts auf die – zumindest vorübergehende – Steigerung der Impfbereitschaft nicht vorbereitet war? Wieso reden wir noch über solche Versäumnisse im bald dritten Jahr der Pandemie? Welche Verschärfung kann ein Bundesland noch unvorbereitet treffen – noch dazu, wenn man beim Beschluss der Maßnahme selbst dabei war?

Großer Andrang vor dem Impfzentrum in Seewalchen, Oberösterreich.
Foto: APA/WOLFGANG SPITZBART

Und: Warum sind Impfen und Testen in einem kleinen Land mit knapp neun Millionen Einwohnern so unterschiedlich geregelt? Immer noch fehlen Tests und Testmöglichkeiten, sogar in Ländern mit ständig hohen Infektionszahlen wie etwa Salzburg. Und Oberösterreich hat den Screening-Antrag für PCR-Tests erst vor drei Tagen im Gesundheitsministerium gestellt. Man staunt.

Kurzfristiger Erfolg

Die Antwort ist: Schuld ist die Macht des Föderalismus – oder besser die Art, wie er in Österreich zumeist gelebt wird. Denn Föderalismus bedeutet hier vor allem, dass jede der neun Landesregierungen und Landesverwaltungen ihr eigenes Süppchen kocht und auf ihren eigenen, kleinen, kurzfristigen Erfolg schaut. Dieses Prinzip wird bis ins kleinste Dorf mit Leidenschaft gelebt.

Das beginnt bei der Bauordnung, geht über die Pflichtschulen bis zum Spitalswesen. Da erschien es nur logisch, dass man auch die praktische Umsetzung der Pandemiebekämpfung in die Hände der Länder gelegt hat. Darauf wies auch Vizekanzler Werner Kogler in der ORF-Pressestunde hin: Der Bund könne nur unterstützend sein, wo immer es möglich sei. Die Umsetzung der Maßnahmen obliege den Ländern – das sei so ausgemacht.

Damit macht es sich auch Kogler leicht. Natürlich kann man, siehe Wien, nicht alle Länder über einen Kamm scheren. Es kommt darauf an, mit welcher Energie und Entschlossenheit die jeweilige politische Führung die Corona-Herausforderung anpackt. Da kann so eine Landtagswahl wie in Oberösterreich schon hinderlich sein. Schließlich wären ja schon frühzeitig unpopuläre Maßnahmen zu verkünden gewesen – blöd vielleicht fürs Wahlergebnis der ÖVP und umso schwieriger, wenn man danach wieder mit der FPÖ koalieren mag. Dass aber die Impfquote in Österreich insgesamt so niedrig ist, übrigens auch in Wien, ist nichts, was der Bund den Ländern alleine in die Schuhe schieben kann. Das ist ein Versagen, das Bundes- und Länderregierungen gleichermaßen auf ihre Kappen nehmen müssen.

Am Ende der Pandemie hat man hoffentlich zumindest das gelernt: So geht Föderalismus nicht. Soll man ihn deshalb abschaffen oder gar, per Ermächtigungsgesetz, in Krisenzeiten aussetzen? Bestimmt nicht. Bund und Länder müssen sich gemeinsam neu erfinden. (Petra Stuiber, 9.11.2021)