Ein großer Teil der Beschäftigten in der Gastronomie sind Arbeiter

Foto: APA

Wien – Lange hat es gedauert, mehrmals gab es Verzögerungen, aber seit Oktober gilt das Gesetz, mit dem die Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte angeglichen werden. Doch in einer wichtigen Branche herrscht weiter ein Tauziehen um die Auslegung der neuen Regelungen: im Tourismus und in der Gastronomie.

Das Ganze geht so weit, dass aktuell unklar ist, welche Kündigungsfristen hier für Mitarbeiter gelten, die der Arbeitgeber nicht länger beschäftigen will. Gewerkschaft und Wirtschaftskammer sind unterschiedlicher Ansicht darüber, wie lange die Kündigungsfristen konkret sind. Im Streitfall werden die Gerichte entscheiden müssen. Die Causa hat eine längere Vorgeschichte. Der Gesetzgeber hatte bereits 2017 die Angleichung der Rechte der Arbeiter an die der Angestellten im Parlament beschlossen. Aufgrund der Pandemie wurde die Angleichung mehrmals verschoben.

Die seit Oktober geltenden Bestimmungen sehen vor, dass für Arbeiter wie Angestellte dieselben Kündigungsfristen gelten, alle anders lautenden Kollektivverträge sind in diesem Punkt außer Kraft. Aber: Im Gesetz wird festgehalten, dass in jenen Branchen, in denen mehrheitlich Saisonbetriebe tätig sind, abweichende Regeln getroffen werden können. Hier würden also die Kollektivverträge unberührt bleiben. Der Streit tobt zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern darüber, ob Tourismus und Gastronomie eine Saisonbranche ist oder nicht. Auf dem Verhandlungsweg konnte die Sache nicht geklärt werden.

Große Unterschiede

Die Unterschiede sind beträchtlich. Für Arbeiter gilt im Tourismus laut geltenden Kollektivverträgen im Regelfall eine 14-tägige Kündigungsfrist. Diese Kündigungsspannen sind deutlich kürzer, als es Gesetz und Kollektivverträge für Angestellte vorgeben: Hier gilt eine Frist von mindestens sechs Wochen. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Unterscheidung sieht kein Experte.

Die Fachverbände von Gastronomie und Hotellerie haben eine Feststellungsklage beim Obersten Gerichtshof (OGH) eingebracht: Sie wollen gerichtlich festgestellt haben, dass man die Ausnahme für Saisonbranchen nutzen kann. Die Wirtschaftskammer informiert auch die Betriebe auf ihrer Website entsprechend und spricht von 14-tägigen Kündigungsfristen.

Die Gewerkschaft argumentiert hingegen, dass dies nicht zutreffe: Während bei Hotels eine starke saisonale Komponente nicht bestreitbar sei, sei das in der Gastwirtschaft schon anders, und diese fällt auch unter den Tourismuskollektivvertrag. Die Gewerkschaft wird nach STANDARD-Informationen selbst eine Feststellungsklage beim OGH einbringen.

In Österreich gibt es noch gut 1,3 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter. In der Gastronomie sind laut Zahlen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo gut 70 Prozent der Beschäftigten Arbeiter, ähnlich hohe Zahlen gibt es sonst nur auf dem Bau und in der Landwirtschaft. (András Szigetvari, 9.11.2021)