Wenn man beobachtet, wie zynische oder ignorante Politiker in Brüssel und New York den möglichen Absturz oder das schleichende Hineingleiten in eine brandgefährliche Balkankrise riskieren, fällt mir eine Geschichte des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard (1813–1855) ein:

"In einem Theater brach hinter den Kulissen Feuer aus. Der Clown trat vor, um das Publikum davon zu benachrichtigen. Man glaubte, es sei ein Witz, und applaudierte. Er wiederholte seine Mitteilung; man jubelte noch lauter. So, denke ich, wird die Welt unter allgemeinem Jubel witziger Köpfe zugrunde gehen, die glauben, es sei ein Witz."

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán.
Foto: AFP/JURE MAKOVEC

So war es zur Zeit des serbischen Kriegstreibers Slobodan Milošević 1990 bis 1991, und deshalb warnen Balkankenner wie der Politologe Vedran Džihić vor der Wiederholung der damals von der westlichen Staatengemeinschaft begangenen folgenschweren Fehler.

In Bosnien zündelt seit langem Milorad Dodik, der starke Mann der Republika Srpska (RS), des serbischen Teilstaates in der Föderation mit muslimischen Bosniaken und Kroaten. Er drohte wieder mit dem Abzug der Serben aus der gemeinsamen Armee und aus der Verwaltung. Zugleich forderte der von Russland und Serbien stets unterstützte nationalistische Scharfmacher die Abschaffung des Amts des Hohen Repräsentanten, der im Namen der internationalen Gemeinschaft seit 1995 die Oberaufsicht über Bosnien ausübt. Der UN-Sicherheitsrat – wo Russland ein Vetorecht hat – verlängerte zwar kürzlich das Mandat der internationalen Schutztruppe mit russischer Zustimmung, aber ohne Erwähnung des Hohen Repräsentanten, des seit August amtierenden deutschen Ex-Politikers Christian Schmidt. Dieser warnte in seinem Bericht "vor der größten existenziellen Bedrohung Bosniens" in der Nachkriegsperiode.

Gemeinsame Investitionen

Gerade in dieser spannungsgeladenen Periode, in der man nicht weiß, ob Dodik wieder nur blufft oder tatsächlich die Unabhängigkeit oder den Anschluss an Serbien vorbereitet, traf in Banja Luka, der Hauptstadt des Teilstaats, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bei einem symbolträchtigen Besuch zu Verhandlungen mit Dodik über gemeinsame Investitionen ein.

Bereits im Juni hatte Orbán den Serbenführer, wohl zur Aufwertung von dessen Position, zu einem offiziellen Besuch in Budapest empfangen. In seiner Rolle als Störenfried der EU forderte er im Sommer die sofortige Aufnahme Serbiens unter dem autoritären Regime seines Freundes, des Präsidenten Aleksandar Vučić, in die EU.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beging einen folgenschweren politischen Fehler mit der Zuteilung der Schlüsselposition des EU-Kommissars für Nachbarschaft und Erweiterung an eine rechte Hand Orbáns.

Der ungarische Regierungschef mischt auch in Nordmazedonien mit, wo infolge des gebrochenen EU-Versprechens über die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen trotz der von ihm mutig durchgesetzten Namensänderung Ministerpräsident Zoran Zaev soeben zurückgetreten ist.

Sein zu zwei Jahren Haft verurteilter korrupter Vorgänger und alter Orbán-Freund Nikola Gruevski lebt und intrigiert übrigens seit zwei Jahren tatkräftig als "politischer Flüchtling" in Budapest. (Paul Lendvai, 9.11.2021)