Behandelt in Liedform gewichtige Themen: Pianist und Komponist Paul Gulda.

Foto: Julia Grandegger

Versucht man, Pianist Paul Gulda per Homepage auf die Spur zu kommen, begrüßt am "Eingangstor" Informatives: Gulda nennt als erste Lehrer "zwei Jazzer", also Fritz Pauer und Roland Batik. Vater Friedrich Gulda wiederum habe "mir unbedingte Hingabe an die Musik vermittelt", während Leonid Brumberg "Grundlagen der russischen Schule gelehrt" habe und Rudolf Serkin "wahre Güte und Unterstützung" schenkte.

Guldas stilistische Vielseitigkeit ist damit umrissen. Sie reicht etwa vom jazzigen Duo mit Batik bis hin zu Kooperationen mit den Philharmonikern und der Wienerliedsängerin Agnes Palmisano. Allerdings bleibt neben alledem ein gesellschaftspolitischer Aspekt seiner Arbeit essenziell, der die neue CD Spirit of Hope (Gramola) quasi prägt.

Prinzip Hoffnung

Die mit Sängerin Shira Karmon eingespielte Sammlung unter anderem von Stücken Mozarts, Beethovens, Schönbergs, Bernsteins und Marwan Abados soll ja im Lichte des Überprinzips Hoffnung rezipiert werden, das mit Friedenssehnsucht, Ängsten und Zweifeln glaubhaft verbunden scheint.

All dies sind keine Floskeln für Gulda; auch Begriffe wie Versöhnung und Erinnerungskultur können getrost hinzufügt werden. Unter anderem ist Gulda auch Mitbegründer und Vorsitzender der Initiative "Refugius Rechnitz", welche die Erinnerung an die von den Nazis ermordeten Juden hochhält.

Moment des Schweigens

Gulda erinnert sich genau, wann sein Engagement quasi über die Welt der Noten hinauswuchs: "Am 9. November 1988 freute ich mich auf mein erstes Brahms-d-Moll-Konzert – mit dem Tiroler Symphonieorchester." Ihm wäre jedoch klar gewesen, dass "man 50 Jahre nach der Pogromnacht nicht einfach nett spielen konnte". Also schlug er eine Schweigeminute vor, "und der ganze Innsbrucker Kongress stand schweigend da, bevor der zweite Satz des Werkes tröstend weiterführte". Man müsse allerdings, so Gulda, "bei sich und authentisch bleiben. Betroffenheitsgesten wirken nicht; schlimmer noch: Sie sind unglaubwürdig und ärgerlich."

Authentisch wirkt die Einspielung auch durch Guldas Stücke. Sie changieren aufgeladen zwischen Spätromantik und gemäßigter Moderne, sind kleine Hoffnungsdramen wie Peace Now, das von Shira Kamon expressiv vermittelt wird. Auch wer sich für die Themen Identität und Heimat interessiert, wird hier fündig. Für Gulda, 1961 in Wien geboren, sind dies wichtige und an seine Mutter, die Schauspielerin Paola Loew, gebundene Aspekte.

Noch eine Uraufführung

"Wenn Österreich mein Vaterland zu nennen ist, so wäre Israel mein Mutterland: Aber meine Mutter hat auch dieses Land nur virtuell als Heimat gesehen. Buchstäblich hatte sie keine, vielleicht ein mythisches Triest ..." Ja, es ist "diese CD auch eine Botschaft an meine Mutter. Musik, Poesie und ein gefühltes Judentum: Dort haben wir einen gemeinsamen Raum bewohnt." In die Zukunft blickend , mein Gulda: "Es wird nächstes Jahr noch eine Uraufführung geben, zu einer Tragödie im Salzburgischen Goldegg 1944. Und dann würde ich gerne mit Entschlossenheit die Probleme des Heute ins Auge fassen. Ich glaube, dass wir Musiker an einem anderen System, einem Plan B, wirksam mitarbeiten können. Beispiel der Arbeiter.innen.Konzerte in Wiener Gemeindebauten: wir haben schon begonnen."

Bach und Mozart

Daneben gibt es von der rein musikalischen Seite her noch "viel zu viele!" Vorhaben: Das Wohltemperierte Klavier, über Jahre eine "unglaublich erbauende Schule" will Gulda aufnehmen. "Aber nicht nur am Flügel. Und Mozart! Oder die Russen... ich muss 100 werden wie Georg Stefan Troller-ich hab grade den Film gesehen. Bewundernswert." Und jedes Jahr habe er "das Gefühl, ich würde jetzt besser, tiefer hören..." (Ljubiša Tošic, 9.11.2021)