Der ORF-Stiftungsrat vor Neubestellung.

Grafik: DER STANDARD

Hier treffen sich die ORF-Stiftungsräte: Der Sitzungs-Saal im ORF-Zentrum auf dem Wiener Küniglberg.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Montag im Budgetausschuss erweckte Bundeskanzler Alexander Schallenberg bei Abgeordneten nicht den Eindruck, der Medienpolitik gelte die besondere Aufmerksamkeit des neuen Kanzlers. Medien fallen in sein Ressort.

Vieles sei in Arbeit, erklärte Schallenberg auf Anfragen im Ausschuss, von ORF-Novelle bis Digitalförderung. Und er klang dabei eher nach Kontinuität zur bisherigen Politik, sagen Sitzungsteilnehmer aus anderen Fraktionen.

2022 kommen auf Medienminister Schallenberg und seine – nach dem Abgang von Medienbeauftragtem Gerald Fleischmann neu besetzte – Stabsstelle einige gewichtige Personalien für Österreichs Medienbranche zu. Entscheidende Fragen im Wortsinne.

Auszuschreiben und zu besetzen ist 2022 etwa der Geschäftsführer der RTR GmbH, die mehr als 56 Millionen Euro pro Jahr an Medienförderungen vergibt – 2022 mit einer Sonderdotierung der Digitalförderung dürften es mehr als 80 Millionen werden. Ebenfalls 2022 endet die aktuelle Funktionsperiode der Medienbehörde Komm Austria, die über Lizenzen von Privatsendern entscheidet wie über Rechtsverletzungen des ORF und über GIS-Erhöhungen. Und im Frühjahr sind die obersten ORF-Gremien Publikumsrat und Stiftungsrat zu besetzen. Bei all diesen Funktionen können die Verträge der Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber verlängert werden.

1. Die Medienförderstelle

Seit Mitte August 2017 ist Oliver Stribl Geschäftsführer der RTR GmbH für den Medienbereich. Ausgeschrieben wurde der Job damals mit fünf Jahren befristet. Diese fünf Jahre enden im Sommer 2022.

Stribl wurde noch von Kanzler Christian Kern und seinem Medienminister Thomas Drozda (beide SPÖ) bestellt. Seine Tätigkeit schienen aber auch die folgenden Regierungen von ÖVP-FPÖ, Expertenregierung und nun ÖVP-Grüne durchaus zu schätzen. Den Medien-Geschäftsführer der RTR bestimmt laut Gesetz der Bundeskanzler.

Die RTR GmbH – letztlich ihr Geschäftsführer – vergibt derzeit nach eigenen Richtlinien jährlich 20 Millionen Euro Privatrundfunkförderung an kommerzielle Sender und drei Millionen Euro an nichtkommerzielle Stationen. 13,5 Millionen Euro gehen an Fernsehproduktionen.

2022 soll die Digitalförderung für klassische Medienhäuser dazukommen mit jährlich regulär 20 Millionen Euro. Im ersten Jahr 2022 soll mehr als das Doppelte ausgeschüttet werden – Mittel wurden in den Vorjahren zweckgewidmet, aber noch nicht ausbezahlt.

2. Die Medienbehörde

Die Medienbehörde Komm Aus tria wird von der Bundesregierung bestimmt, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats, und ernannt vom Bundespräsidenten. Infrage kommen Juristinnen und Juristen mit zumindest fünf Jahren Berufserfahrung. Amtszeit: sechs Jahre.

Im Oktober 2016 wurde Michael Ogris, schon seit 2004 der Leiter dort, zum Vorsitzenden wiederbestellt. Stellvertreterin ist seit 2016 Susanne Lackner. Weitere Mitglieder: Martina Hohensinn und Katharina Urbanek. Nach dem Tod von Michael Truppe rückte unter der Regierung von ÖVP und FPÖ Thomas Petz* aus dem Justizministerium nach.

Die Medienbehörde vergibt Lizenzen an Privatsender, sie wacht über Lizenz- und Rechtsverletzungen, etwa auch bei Youtubern auf Werbekennzeichnung. Sie überprüft Gebührenerhöhungen. Wie derzeit den Beschluss des ORF-Stiftungsrats über acht Prozent mehr GIS ab Frühjahr 2022.

3. ORF-Entscheider

Eben erst haben sie den nächsten ORF-General – Roland Weißmann – und seine Direktorinnen und Direktoren ab 2022 bestellt. Da sind schon ihre eigenen Funktionen im obersten ORF-Gremium auszuschreiben.

Im Frühjahr beginnt der Reigen mit dem Publikumsrat. Die Mehrheit dort – 17 von 30 Mitgliedern – bestimmt der Kanzler aus Vorschlägen von Interessenorganisationen.

Mit dieser vom Kanzler bestimmten Mehrheit entsendet der Publikumsrat sechs Mitglieder in den ORF-Stiftungsrat – das entscheidende ORF-Gremium. Er bestimmt das ORF-Management, Budgets, GIS und andere wesentliche unternehmerische Fragen des ORF.

Derzeit haben, noch aus türkisblauen Zeiten 2018, ÖVP und FPÖ je drei Mandate im Stiftungsrat. ÖVP und Grüne sollen Anfang 2020 denselben Schlüssel vereinbart haben. Andernfalls würde die schon heute klare türkise Mehrheit im Stiftungsrat 2022 noch verstärkt. Wandern die drei derzeit blauen Publikumsratsmandate im Stiftungsrat zu den Grünen, werden sie zweitstärkste Fraktion im obersten ORF-Gremium – mit sechs von 35 Stimmen. Die ÖVP kommt derzeit auf 16, mit ihr nahestehenden Räten auf 18 bis 20. Den Stiftungsrat beschicken zudem Regierung, Parteien, Länder und ORF-Betriebsrat.

Vorsitzender des Stiftungsrats ist seit 2018 Norbert Steger. Fraglich, ob die FPÖ ihn neuerlich nominiert – er hat auch bei der Generalswahl gegen die Parteilinie für Weißmann gestimmt. Womöglich noch fraglicher ist, ob sich Steger von der FPÖ überhaupt noch einmal aufstellen lässt.

Den nächsten ORF-General wird dieser neue Stiftungsrat nicht bestimmen: Seine vier Jahre Amtszeit enden kurz vor der nächsten regulären Generalswahl 2026.

Alles unter dem Vorbehalt, dass diese Regierung noch bis Herbst 2022 im Amt ist. Und dass eine ORF-Gesetzesnovelle nichts Wesentliches an den Bestimmungen für die ORF-Gremien oder das ORF-Management ändert. (Harald Fidler, 10.11.2021)