Haben Sie Zürs schon bei Nacht gesehen? Am kommenden Wochenende hat die skibegeisterte Welt wieder Gelegenheit dazu.

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Stefan Jochum fühlt sich zum Handkuss gekommen.

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Die Masten für die Flutlichtanlage stehen wieder. Sie sollen am kommenden Wochenende die Skistars beim Flexenrace in Zürs am Arlberg in Szene setzen. Am Samstagabend kämpfen die Frauen, am Sonntagabend die Männer um Weltcuppunkte bei Parallelbewerben. Derlei Paarläufe sorgen seit jeher für Kritik ob ihres sportlichen Wertes. Nachdem Vorjahressiegerin Petra Vlhova und Sölden-Siegerin Mikaela Shiffrin ihre Teilnahme bereits abgesagt haben, fehlen auch zwei Topstars.

Rennen um Subventionen

Doch spannender als das, was auf der Piste passiert, ist in Zürs das Geschehen abseits. Denn rund um die Weltcupshow am Arlberg war schon im Vorjahr ein politischer Streit entbrannt. Grund dafür waren fehlende Genehmigungen zum Bau der Weltcupstrecke sowie die üppigen Förderungen der öffentlichen Hand für das FIS-Spektakel. Von den insgesamt 2,7 Millionen Euro, die der Bau der Piste samt TV-tauglicher Flutlichtanlage kostete, wurden mindestens 1,3 Millionen mit Steuergeld bezahlt.

Argumentiert wurde dies mit der Schaffung einer dringend benötigten Trainingspiste für den Vorarlberger Skinachwuchs sowie dem behaupteten Werbewert für die Region. Eine für FIS-Rennen taugliche Trainingspiste mit Beleuchtung wäre allerdings auch deutlich billiger zu haben gewesen, wie Experten dem STANDARD im Vorjahr bestätigten. Doch die Anlage in Zürs muss eben eine TV-Liveübertragung ermöglichen, weshalb sie ungleich teurer war. Allein eine solche Lichtanlage koste "eine bis eineinhalb Millionen Euro". Dazu kommt, dass die Anlage mit mehreren Helikopterflügen pro Mast im Frühjahr ab- und im Herbst wieder aufgebaut werden muss. Denn sie soll nur "temporär" am Berg stehen und im Sommer die Landschaft nicht verschandeln.

Dass es wenige Kilometer Luftlinie weiter, in St. Anton am Arlberg, eine Weltcup- und TV-taugliche Piste gibt, ist insofern irrelevant, als St. Anton in Tirol und nicht in Vorarlberg liegt. Es ging bei den Flexenrennen nämlich auch um die Rückkehr des Skiweltcups ins Ländle, das 26 Jahre ohne eine solche Veranstaltung auskommen musste.

Die Einnahmen aus der TV-Übertragung fließen aber nicht in die Kassen des Veranstalters, sondern kommen in erster Linie dem ÖSV zugute. Lech-Zürs bleibt der Werbewert, wie stets betont wird. Allerdings stellt die Vorarlberger Landtagsabgeordnete Nadine Kasper (Grüne) genau den infrage: "Ein Weltcuprennen im November ist in Zeiten des Klimawandels eine schlechte Werbung."

Weißes Band

Im Vorjahr bot die Rennstrecke als weißes Band auf braunem Wiesengrund ein unschönes Bild. Heuer musste vorab der fehlende Schnee per Lkw auf den Arlberg gekarrt werden, kritisiert Kasper: "Muss das sein? Während man in Glasgow einen Klimagipfel abhält?"

Die Vorarlberger Landesregierung, genauer gesagt die sieben ÖVP-Mitglieder derselben, erkennt den Rennen in Zürs dennoch einen derart "hohen Stellenwert" zu, dass sie auch 2021 insgesamt 90.000 Euro Förderung gewährte. Die beiden grünen Landesregierungsmitglieder stimmten dagegen.

Finanzielle Folgen wird das Rennen wohl auch für den scheidenden Bürgermeister von Lech am Arlberg – Zürs ist Teil dieser Gemeinde – haben. Stefan Jochum ist am Montagabend dieser Woche überraschend zurückgetreten. Dieser Rückzug hat zwar nichts mit den Weltcuprennen zu tun, wie er sagt, sondern ist der verfahrenen Pattsituation in der Lecher Gemeindevertretung geschuldet. Doch die Rennen von Zürs brachten ihn gleich zu Beginn seiner Amtszeit im Herbst 2020 in Erklärungsnot. Denn Jochum war in mehrfacher Rolle in die Vorarbeiten und Planungen zu den Bewerben involviert.

Insgesamt zehn Einzelverfahren wegen diverser Verstöße und fehlender Genehmigungen waren bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz anhängig. Eines davon ist rechtskräftig abgeschlossen. Ins Detail will Jochum dazu nicht gehen: "Es gab Behördenfehler, es gab auch Fehler von uns und mir persönlich." Er sei in einigen dieser Verfahren als Beschuldigter – noch nicht rechtskräftig – zu einer "nicht unerheblichen Geldstrafe" verurteilt worden. Doch mittlerweile seien "alle Hausaufgaben gemacht" – und man habe nun eine tolle Sportstätte, auf der bereits 400.000 Trainingsfahrten absolviert worden seien. "Zum Schluss ist immer einer, der das bezahlen muss", sagt Jochum. (Steffen Arora, 10.11.2021)