2021 sollte für Wissenschaftsjournalistinnen und Wissenschaftsjournalisten in Österreich eigentlich ein gutes Jahr sein: Zum einen ist unsere Arbeit – leider dank einer Pandemie – sichtbarer denn je. Mit Ö1-Kollegin Elke Ziegler erhielt erstmals eine Wissenschaftsjournalistin den Robert-Hochner-Preis, der sonst für Kolleginnen und Kollegen der Innenpolitik reserviert ist. Zum anderen gibt es in diesem Jahr auch gleich zwei runde Jubiläen zu feiern: Vor 50 Jahren wurde – auch unter tätiger Mithilfe der damaligen Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg (SPÖ)der Klub der WissenschaftsjournalistInnen gegründet und auch der Staatspreis für Wissenschaftspublizistik ins Leben gerufen.

Doch diese Feierlaune trübt sich angesichts der aktuellen Eurobarometer-Umfrage rasch ein, deren Ergebnisse bei allen forschungs- und wissenschaftspolitisch Verantwortlichen des Landes sofort alle Alarmglocken schrillen lassen müssten: Österreich weist bei dieser erst vor wenigen Monaten durchgeführten Umfrage beim Interesse an Wissenschaft und Technologie, beim Wissen über Wissenschaft, bei der Wertschätzung von Wissenschaft oder beim Vertrauen in sie im EU-Vergleich einigermaßen katastrophale Werte auf.

Wissenschaftskommunikation in der Krise?

In einer sehr selbstkritischen Analyse müsste man also eigentlich 2021 einmal mehr feststellen: Der heimischen Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen und dem Wissenschaftsjournalismus im Besonderen muss angesichts solch ernüchternder Ergebnisse dringend auf die Sprünge geholfen werden – im Interesse der Wissenschaft, der Öffentlichkeit, der Gesundheit und der Demokratie in diesem Land.

Zugegeben, die neuen Ergebnisse sind jetzt nicht die ganz große Überraschung. Wie DER STANDARD schon seit über zehn Jahren immer wieder berichtet, schneidet Österreich bei den einschlägigen Umfragen zur Ein- und Wertschätzung von Wissenschaft und Technologie im internationalen Vergleich traditionell schlecht ab. Erinnert sei nur an die Eurobarometer-Umfrage 2010. Bei der Frage, ob die Grundlagenforschung von der Regierung unterstützt werden sollte, belegte Österreich – deutlich abgeschlagen hinter dem Vorletzten Portugal – den letzten Platz:

DER STANDARD

Und auch bei der Technologieskepsis war Österreich damals Europameister. Das hat damals zu keinerlei politischen Reaktionen oder gar aktiven Gegenmaßnahmen geführt, was leider auch zeigt, wie egal die österreichische Wissenschaftsskepsis auch den politisch Verantwortlichen, aber auch den meisten Spitzenvertreterinnen und -vertretern der Wissenschaft war und ist.

Nachfolgestudie 2021

Elf Jahre später liegt nun eine aktualisierte und noch viel umfassendere Eurobarometer-Umfrage unter dem Titel "European citizens' knowledge and attitudes towards science and technology" vor, für die neben den EU-27 auch noch elf weitere Länder untersucht wurden. Insgesamt hat man im April und Mai 2021, als gerade besonders viele Impfungen gegen Covid-19 verabreicht wurden, rund 37.000 Interviews durchgeführt, also pro Land rund 1.000. Der Endbericht, der hier heruntergeladen werden kann, umfasst über 300 Seiten.

Die nachfolgenden Umfrageergebnisse, über die bereits der sehr geschätzte Kollege Florian Freistetter in seinem Blog berichtete, sind entsprechend nur eine kleine Auswahl, die Österreicherinnen und Österreicher im EU-Vergleich und in vielen abgefragten Bereichen sehr schlecht dastehen lassen.

Nummer eins bei der Gentechnikskepsis

Beginnen wir mit einem der erwartbaren Ergebnisse – was das Resultat freilich nicht besser macht. Auf die Frage, welche Auswirkung in den nächsten 20 Jahren die Biotechnologie und die Gentechnik haben werden, waren die Einschätzungen von Herr und Frau Österreicher die negativsten unter allen Bewohnerinnen und Bewohnern der 27-EU-Länder.

Grafik: Eurobarometer 516

Dass in Österreich mit dem Vienna Bio Center ein genetisches und biotechnologisches Zentrum von europäischem Format existiert, mutet da fast wie ein Betriebsunfall an. Standortpolitisch sind solche Ansichten einer Fast-Mehrheit aber gewiss eher ungünstig. In dieser Frage unmittelbar vor uns liegt übrigens Rumänien, eines der beiden Impfschlusslichter in der EU mit den aktuell höchsten CoV-Sterbezahlen nach Einwohnergröße. Platz eins hingegen geht sowohl bei der Umfrage wie auch bei der Impfquote an Portugal.

Wenig Vertrauen in Wissenschafter

Österreicherinnen und Österreicher sind leider aber auch recht ahnungslos, wie Forschung funktioniert. Und sie haben – gemeinsam mit den Deutschen – ein im EU-Vergleich außergewöhnlich schlechtes Bild von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern.

Fangen wir mit dem Faktum an, dass ohne Zusammenarbeit in der Wissenschaft heute gar nichts geht. Das Bild vom einsamen Gelehrten ist in den allermeisten Fächern völlig überholt. Nicht aber in der Meinung unserer Landsleute:

Grafik: Eurobarometer 516

Während diese Fehleinschätzung zwar erklärungsbedürftig ist, aber noch harmlos anmutet, gibt eine andere schwerer zu denken. Denn die deutet darauf hin, dass es bei unseren Landsleuten mit dem Vertrauen in Wissenschafterinnen und Wissenschafter schlecht aussieht. Da übertrifft uns nur noch Deutschland, wo prozentuell noch mehr Menschen meinen, dass Forscherinnen und Forscher nicht ehrlich sind:

Grafik: Eurobarometer 516

Andere Frage: Wie wichtig sind Wissenschaft und Technologie in unserem Leben? Man könnte meinen, dass angesichts der Pandemie sich da etwas zum Positiven geändert hat. Womöglich war das ja auch so. Nur: Im europäischen Vergleich gehört Österreich auch hier zu den Spitzenreitern – nämlich bei der Einschätzung, dass Wissenschaft in ihrem Leben nicht gar so wichtig sei.

Grafik: Eurobarometer 516

Sind Österreicherinnen und Österreicher wenigstens an Wissenschaft und Technologie interessiert und neugierig? Wollen wir mehr über neue wissenschaftliche Entwicklungen lernen? Auch hier fallen die Österreicherinnen und Österreicher nicht aus dem Rahmen ihrer bescheidenen Möglichkeiten beziehungsweise ihrer doch recht weit verbreiteten Ignoranz. Weniger neugierig sind immerhin die Kroatinnen und Kroaten:

Grafik: Eurobarometer 516

In Sachen Wissenschaftspolitik wiederum bestätigt sich etwas, was Forschende der Universität Wien kürzlich als "Wissenschaftspopulismus" identifiziert haben. Laut dieser Umfrage im Rahmen des Austria Corona Panel Project ist ein Viertel der Bevölkerung der Meinung, dass man sich mehr auf den gesunden Menschenverstand und weniger auf wissenschaftliche Studien verlassen sollte.

Grafik: Austria Corona Panel der Universität Wien

Entsprechend, und damit sind wir wieder bei der Eurobarometer-Umfrage, sind auch unsere Landsleute nach den Rumäninnen und Rumänen am ehesten unter allen Nationalitäten dafür, dass die Entscheidungen über Wissenschaft und Technologie nicht so sehr nach den Ratschlägen der Expertinnen und Experten getroffen werden sollen, sondern vor allem danach, was die Mehrheit der Bevölkerung darüber denkt:

Grafik: Eurobarometer 516

Zum vorläufigen Schluss dieses Berichts über die österreichische Wissenschaftsignoranz noch ein Umfrageergebnis, das besonders schmerzt. Hier geht es um die Aussage: "Das Interesse an Wissenschaft bei den Jungen ist wichtig für unseren künftigen Wohlstand." Die Österreicherinnen und Österreich stimmen dem nur zu 27 Prozent "sehr" zu. Das ist der mit einigem Abstand geringste Anteil von allen Ländern.

Grafik: Eurobarometer 516

Zählt man noch "stimme einigermaßen zu" mit, dann sind die Rumäninnen und Rumänen noch hinter uns. Platz eins geht wieder nach Portugal. Zur Erinnerung: Dieses Land belegte bei der Umfrage nach der Wichtigkeit von Grundlagenforschung vor elf Jahren noch den vorletzten Platz vor Österreich. Einstellungsveränderungen scheinen also möglich zu sein.

Warum sollten uns diese Ergebnisse zu denken geben? Der aktuell wohl wichtigste Grund: Wissenschaftsskepsis ist in einer Pandemie schlecht für die Gesundheit und schlecht für die Gesellschaft. Vergleicht man die Eurobarometer-Ergebnisse mit einer europaweiten Erhebung zur Impfbereitschaft aus dem Sommer 2021, zeigen sich zumindest recht auffällige Korrelationen:

Blickt man nur auf die "harten" Impfverweigerer (also die roten Balken ganz rechts), dann sind durchwegs die Länder "vorne", in denen Wissenschaft für unwichtig erachtet wird: In Österreich ist der dunkelrote Balken einer der längsten, in Portugal hingegen einer der kürzesten. Und wie die folgende Grafik veranschaulicht, hat Wissenschafts- und Impfskepsis aktuell ganz konkrete tödliche Folgen: Je geringer die Impfquote, desto mehr CoV-Todesfälle, statistisch angepasst nach Medianalter und nach Bruttoinlandsprodukt (als Nährungswert für die Qualität des Gesundheitssystems).

Grafik: Tom Wenseleers

Die österreichische Wissenschaftsignoranz sollte mithin der Politik und der Wissenschaft die nötigen Anstöße geben, um dagegen dringend etwas zu unternehmen: In einem Land, in dem der Bevölkerung die Wissenschaft so wurscht ist wie in Österreich, wird man sich auch in Zukunft mit vielen Dingen ziemlich schwer tun, nicht nur mit der Überwindung der Impfskepsis. Denn zur Bewältigung der meisten großen Probleme der Zeit – das größte ist natürlich die Klimakrise – ist Wissenschaft unabdingbar. Und seriöser, verantwortungsvoller Wissenschaftsjournalismus. (Klaus Taschwer, 10.11.2021)