Alle Handys klingelten beim Journalistinnenkongress für einen Weckruf an die Regierung: Gleichstellung soll in der Medienförderung verankert werden.

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Dienstag um 11.53 Uhr klingelten im Haus der Industrie die Wecker. Einen "Weckruf" an die Politik schickten die Teilnehmerinnen des Journalistinnenkongresses mit der Aktion, um auf ihre Forderung aufmerksam zu machen: Gleichstellung soll ein Kriterium für bestehende wie künftige Medienförderung sein.

Förderungswerber müssten sich zu konkreten Zielwerten bei der Besetzung von redaktionellen und kaufmännischen Führungspositionen, Gleichstellungsplänen sowie redaktionellen Richtlinien für genderkompetente Arbeiten verpflichten. Die organisierten Medienfrauen Österreichs und Presseclub Concordia tragen die Forderungen mit.

Die Goldene Medienlöwin geht in diesem Jahr an Eva Linsinger. Die stellvertretende Profil-Chefredakteurin und Innenpolitik-Chefin erhält den Preis des Journalistinnenkongresses für ihr Lebenswerk.

Bei der Tagung ging es dann wieder um bekannte Fragen: Warum fehlen Journalistinnen in Chefetagen? Das habe mit der "geschissenen Bescheidenheit der Frauen" zu tun, sagte Maria Rauch-Kallat, seit 23 Jahren Schirmherrin des Kongresses, mit dem Zitat der ehemaligen ORF-Generalintendantin Monika Lindner. Rauch-Kallat an die Gäste: "Merkt euch: Karriere kann man planen."

Jeannée und das Gendern

Frauenfeindliche Artikel zu verhindern scheint da schon weit schwieriger. "Haben Sie heute schon die Kronen Zeitung gelesen?", fragte Medienanalytikerin Maria Pernegger von Media Affairs. Postler Michael Jeannée schreibt dort von "geisteskrankem Gendern". "Keine Leseempfehlung", sagt Pernegger. Nach wie vor seien Frauen in Medien zu wenig sichtbar. Corona habe das Problem sogar noch verschärft. Die mediale Bühne gehöre zu 77 Prozent Männern, nur zu 23 Prozent seien Frauen präsent.

Ein Beispiel für irregeleitete Präsenz in Medien lieferte Kathrin Werner, Redaktionsleiterin von Plan W, einer Magazinbeilageder Süddeutsche Zeitung: "Erfrischender Bubikopf", "polyglotte Frau mit einer Patchwork-Familie" las sie in einem Medienbericht über weibliche Vorstandsvorsitzende eines deutschen Konzerns. "In dem ganzen Artikel ging es darum, warum diese beiden Frauen es verdient haben, im Vorstand zu sein, obwohl sie Frauen sind", wunderte sich Werner.

"Sag’ mal, brauchen wir das denn überhaupt noch?", werde auch sie zur frauenspezifischen Wirtschaftsbeilage Plan W hin und wieder gefragt, erzählt Werner. Auch innerhalb ihres Mediums. "Plan W ist intern sehr umstritten."

Reden, aber nicht buchen

Das habe damit zu tun, dass der Verlag mit Plan W "sehr viel Geld verbrannt" habe. "Die Unternehmen reden alle wahnsinnig gern darüber, wie wichtig Vielfalt ist. Aber eine Anzeige schalten sie dann doch wieder nicht", sagt Werner: "Ein Paradoxon, dass wir seit sechs Jahren nicht lösen können."

Artikel wie jene über die Vorstandsfrauen bestärken Werner: "Solange es solche Beschreibungen gibt, so lange gibt es einen Grund für Plan W." Aber auch sonst: "Es gibt 20 Prozent Frauen in Führungspositionen, in den Wirtschaftsteilen von Medien noch weniger, sagt Werner. "Die wenigen Frauen, die es gibt, interviewen wir nicht genug. Und wenn wir sie zu Wort kommen lassen, stellen wir oft weiche Fragen: Wie haben Sie das denn mit fünf Kindern geschafft?" Männliche Vorstände würden zu Innovationskraft und Visionen befragt. "Bei Frauen heißt es meistens irgendwo: ,Und sie ist immer bestens angezogen‘."

Medienanalytikerin Pernegger sieht dennoch "eine Chance für Frauen in Führungspositionen" und Bewusstseinswandel. Das elitäre Image von Feminismus kritisierte hingegen Die STANDARD-Leiterin Beate Hausbichler und erinnert an den Gender-Equality-Index: Der sieht das Jahr der Gleichstellung unter jetzigen Voraussetzungen erst im Jahr 2085 erreicht. (Doris Priesching, 11.11.2021)