Flugsimulatoren sind nur eines von vielen Anwendungsszenarien für einen digitalen Zwilling unseres Planeten.

Foto: Blackshark.ai

Gamerinnen und Gamer kennen das Unternehmen Blackshark.ai schon länger – sind sie doch diejenigen, die für den "Microsoft Flight Simulator" mithilfe von künstlicher Intelligenz ein komplettes Abbild unseres Planeten erstellt haben. Dass das gut ankam, hat man sich bei Microsoft gemerkt – und daher investiert der Konzern nun gemeinsam mit Partnern 20 Millionen Dollar in das steirische Unternehmen.

Konkret wird die Investmentrunde von Microsofts Venture-Investmentarm namens M12 und dem Finanzinvestor Point72 Ventures angeführt. Mit an Bord sind außerdem weitere prominente Namen – allen voran Brian Mc Clendon, Co-Gründer von Google Earth, sowie Dirk Hoke, der ehemalige CEO von Airbus Defense and Space, und Qasar Younis, ehemaliger COO des im Silicon Valley ansässigen Start-up-Accelerators Y Combinator. Die Neo-Investoren sind nun gemeinsam mit dem bestehenden Investor, der in Wien ansässigen i5invest rund um Markus Wagner, an dem Unternehmen beteiligt.

Abheben mit dem "Flight Simulator"

Die Investoren steigen in das Unternehmen ein, weil sie großes Potenzial in den AI-basierten Geodaten sehen, wie Blackshark.ai-CEO Michael Putz erläutert: Habe man sich zuvor allein auf Satellitenbilder verlassen, so kann die künstliche Intelligenz die Objekte nun erkennen, sie mit Attributen versehen und sie rekonstruieren.

Am Beispiel des "Flight Simulator" heißt das etwa, dass die Form der Gebäude aus den Satellitenbildern generiert wurde, die Informationen zu den Fassaden aber von anderer Stelle kamen: Die KI weiß, dass eine Fabrikhalle anders aussieht als ein Wohngebäude und wie sich eine mitteleuropäische Hausfront von jener eines Gebäudes im Nahen Osten unterscheidet.

Was ist aktuell mit einem digitalen Zwilling der Erde möglich? Dieses Video gibt einen Überblick.
Blackshark AI

Der "Flight Simulator" war somit auch das Eintrittstor für Blackshark.ai in die Microsoft-Welt. Denn während der Konzeptphase für die neueste Version des Flugsimulators im Jahr 2017 wurden die Amerikaner auf die Steirer aufmerksam, die zwei Jahre später dann innerhalb weniger Tage unseren Planeten komplett digital abbildeten.

Dies gelang innerhalb weniger Tage und erforderte eine entsprechende Cloud-Rechenleistung – was wiederum eine Expertise von Microsoft ist, wie Bestandsinvestorin und i5growth-Direktorin Simona Hübl im Gespräch mit dem STANDARD betont: Mit der entsprechenden Rechenpower sei es möglich, die ganze Welt innerhalb weniger Stunden digital zu rekonstruieren.

Dieses Video zeigt, wie Blackshark.ai den Planeten für den "Microsoft Flight Simulator" nachbaute.
Microsoft Flight Simulator

Allerdings ist die Spielerei mit Flugsimulatoren nur eines von verschiedenen Anwendungsszenarien, die mit einem digitalen Abbild der Erde möglich werden. Denn laut Putz können Informationen nahezu in Echtzeit adaptiert und neue Szenarien simuliert werden. Wie würde sich ein steigender Meeresspiegel auf verschiedene Städte auswirken? Wie verheerend wäre ein Tsunami für New York? Welche Auswirkungen hat die Abholzung der Regenwälder? All diese Szenarien lassen sich mit einem digitalen Zwilling unseres Planeten simulieren.

Basis für das Metaversum

Zudem ist ein digitales Abbild die Basis für jene Zukunftsvision, um die in den vergangenen Wochen ein regelrechter Hype entstanden ist: Das "Metaversum" – ein digitaler Raum, in dem Menschen gemeinsam leben und arbeiten sollen. Facebook will das Thema besetzen und benannte sich deshalb gleich in "Meta" um, Microsoft möchte schon im kommenden Jahr Arbeitsumgebungen im Metaversum schaffen. Und Blackshark.ai bietet ebenjene digitale Welt, in der wir uns dann bewegen können.

Derzeit ist eine solche virtuelle Welt zwar noch ein toter Raum – laut Putz ist es aber möglich, mit simplen Arbeitsschritten dort etwa Städte nachts zu erhellen oder Gebäude zu skalieren. Der Gestaltungsspielraum ist somit gewaltig, für virtuelle Freizeitaktivitäten und Spiele ebenso wie für wissenschaftliche Simulationen.

Keine Microsoft-Exklusivität

Hübl und Putz betonen, dass es bei dem Deal nicht darum geht, das bestehende Blackshark-Team in Microsoft zu integrieren – daher habe eben auch nicht Microsoft direkt investiert, sondern dessen Investmentarm M12. Dieser agiert mehr wie eine Art Finanzinvestor, der das Unternehmen weiter skalieren will, indem auch neue Kunden an Bord geholt werden. Darunter eben auch die Großunternehmen des Silicon Valley.

Dementsprechend wird Blackshark.ai das frische Kapital auch weniger für die Weiterentwicklung des bestehenden Produkts, sondern mehr für den Ausbau des Sales-Teams nutzen. Von den derzeit 104 Mitarbeitern sind rund 70 Entwickler, die in Graz leben, das Sales-Team wiederum sitzt schon jetzt hauptsächlich in den USA. (Stefan Mey, 11.11.2021)