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Ein Parlamentarier mit Ambitionen: In den ÖVP-Klub ist Sebastian Kurz definitiv nicht gewechselt, um zu bleiben. Eine Rückkehr ins Kanzleramt wäre aber jedenfalls nicht einfach.

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Einigen in der ÖVP fällt es bis heute schwer, ihm das Amt abzusprechen. "Bundeskanzler Sebastian Kurz" – es ist eine Wortkombination, die sich offenbar eingebrannt hat. Dass der Kanzler nun Alexander Schallenberg heißt, geht manchen Türkisen noch immer nicht leicht über die Lippen. Nicht, weil sie Schallenberg nicht akzeptieren. "Es ist eine neue Ära angebrochen, daran müssen sich alle erst gewöhnen", sagt ein Türkiser aus einem Ministerium. Die große Frage dahinter lautet: Wie nachhaltig muss die Umgewöhnung sein? Kann es für Kurz noch ein Zurück geben?

Bei der Einweihung der Shoah-Namensmauer am Ostarrichipark saß Kurz diese Woche wieder in der ersten Reihe. Es war einer seiner wenigen öffentlichen Termine zuletzt. Kurz hatte in der Endphase des langen Kampfs um die Gedenkstätte gemeinsam mit Karoline Edtstadler das Mahnmal ermöglicht. Auf einer Tafel, die Teil der Gedenkstätte ist, wurde das festgehalten. Allerdings wurde ausgerechnet die Ex-Funktion von Kurz falsch geschrieben: "Bundenskanzler" steht da, mit einem "n" zu viel. Ein gefundenes Fressen für Häme in den sozialen Medien.

Tafel wird ausgetauscht

"Die Tafel wird schon ausgetauscht", heißt es dazu auf Anfrage des STANDARD aus dem Büro Edtstadler. Man habe den für die Ewigkeit gravierten Tippfehler erst kurz vor dem Eröffnungsevent entdeckt.

Als ÖVP-Chef soll Kurz nun jedenfalls wieder sichtbarer werden. In den kommenden Monaten wird er durch die Bundesländer touren, Funktionärinnen und Funktionäre treffen, mit Leuten aus den Bünden sprechen. "Comebacktour" wurde das Vorhaben in manchen Medien genannt. In der ÖVP will man den Begriff definitiv nicht selbst erfunden haben. Kurz habe nun einfach mehr Zeit für die parteiinternen Strukturen. Wobei auch manche Türkise einräumen, dass das Verhältnis des Kanzlers zu manchen Landeshauptleuten schwer angeschlagen ist – vor allem im Westen.

Tiroler haben keine Zeit

Der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer hatte eine Rückkehr von Kurz als "theoretische Frage" bezeichnet. In der Vorarlberger Volkspartei will man über Kurz am liebsten überhaupt nicht mehr sprechen. Die Tiroler ÖVP findet momentan keine Zeit für seinen Besuch, es soll stattdessen eine Videokonferenz geben. Rückhalt bekomme er nur aus Niederösterreich und Salzburg, wissen auch Türkise in Wien. Einfach sei das alles nicht.

In die Regierungsarbeit ist Kurz eingebunden, aber "primär" handle es sich um eine Aufgabe des neuen Bundeskanzlers, heißt es aus dem Umfeld von Kurz. Türkise Vorbesprechungen leitet der Ex-Kanzler, er bringe sich ein, aber diktiere nichts. Von den Grünen hört man, dass sie von Kurz kaum noch etwas mitbekommen würden – wobei man natürlich nicht wisse, was auf türkiser Seite alles vorbesprochen werde mit ihm.

Hält die Koalition?

Aber ist nun ein Comeback von Kurz als Kanzler denkbar? Ein Türkiser formuliert es pragmatisch: "Dafür müsste man jedenfalls die Koalition platzen lassen." Entscheidend seien für die türkis-grüne Regierungsarbeit unter Schallenberg die kommenden Monate – also eine Phase, in der das Pandemiemanagement der vierten Welle im Fokus stehen wird. Die "kritische Hürde" stehe im Jänner und Februar bevor. Schließlich sei theoretisch eine vorgezogene Wahl im Frühsommer denkbar. Danach würden Neuwahlen immer unwahrscheinlicher, ist der Türkise überzeugt.

In einem Wahlkampf wäre Kurz aber freilich durch das laufende Verfahren schwer belastet – je länger es sich zieht, desto schwieriger wäre eine Rückkehr ins Kanzleramt, hört man auch von treuen Anhängern. Eine Verurteilung würde ohnehin sein politisches Ende bedeuten, daran hat niemand einen Zweifel.

Wöginger: Kurz durch Karmasin entlastet

ÖVP-Vizeklubobmann August Wöginger sieht Kurz von den Vorwürfen in der Inseratenaffäre nun aber bereits "massiv" entlastet – er bezieht sich dabei auf einen Bericht im Kurier, in dem der Anwalt von Sophie Karmasin zu deren Verteidigung ausgerückt war. Dass Kurz 2016 mit der ehemaligen Ministerin ein Gespräch führen wollte, habe ganz andere Gründe als einen Umfrage-Deal gehabt, sagt der Anwalt. Es sei darum gegangen, Karmasin von einem Rücktritt abzuhalten. (Katharina Mittelstaedt, 11.11.2021)