Der Film "Anna Fucking Molnar" (2017) von Sabine Derflinger und Nina Proll (rechts) schnitt beim Gleichstellungs-Check gut ab.

Foto: Luna

Der Kampf um mehr Geschlechtergerechtigkeit wird aktuell in keiner anderen Kunstsparte energischer geführt als im Film. Wohl aber gerade deswegen, weil sich hier am meisten tut. Im April hat das Österreichische Filminstitut (ÖFI), der größte Fördermittelgeber im österreichischen Film, eine 50:50-Quote beschlossen.

Im Hintergrund hatte ein Teil des Regieverbands offenbar versucht, ein alternatives Modell durchzusetzen. Diese Intervention blieb zwar erfolg-, aber nicht folgenlos: 42 Personen, rund 90 Prozent aller Filmregisseurinnen, kehrten der Interessenvertretung aus Protest den Rücken. Die Quote wird kommen und soll binnen vier Jahren ihre volle Wirkung entfalten, das Vertrauen unter den Regieleuten aber bleibt vorerst zerrüttet.

Sexismus-Check

Unabhängig davon, wie man zu Quotenregelungen steht, müsste zumindest über Zahlen und Fakten nicht mehr gestritten werden. Denn am Donnerstag präsentierte das ÖFI seinen zweiten Gender Report zum österreichischen Film. In dieser umfassenden Studie, durchgeführt von der Uni Innsbruck, wurde erneut die Geschlechterverteilung bei Förderungen und Besetzungen untersucht und auch die inhaltliche Ebene heimischer Filme einem Sexismus-Check unterzogen.

Der erste Report erschien 2018 und untersuchte den Zeitraum 2012 bis 2016, der neue Report nimmt nun die Jahre 2017 bis 2019 in den Blick. Untersucht wurden elf Förderstellen, die in Summe 150 Millionen Euro ausgeschüttet haben. Das wenig überraschende Ergebnis: Frauen sind nach wie vor strukturell benachteiligt. Aber: Es gibt messbare Tendenzen, die in Richtung mehr Gerechtigkeit zeigen. Während im ersten Report nur 21 Prozent der Fördermittel an Frauen gingen, sind es nunmehr 25 Prozent. Trotzdem zeige sich sehr deutlich: Je mehr Geld in eine Produktion fließe, desto weniger Frauen seien involviert.

TV-Serien in Männerhand

Etwas besser sieht die Situation für Frauen im Festivalkinobereich aus (37 Prozent) oder in der Nachwuchsförderung für innovativen Film des Bundes (60 Prozent Frauenanteil). Ein langfristiger Trend lasse sich daraus aber noch nicht ableiten. Besonders krass sind die Unterschiede im TV-Serien-Bereich, wo über 90 Prozent der Fördermittel in die Taschen von Männern fließen.

41 Prozent aller Kino- und TV-Produktionen setzten zudem auf ein exklusiv männlich besetztes Kernteam, exklusiv weiblich besetzt waren im Gegenzug nur zwölf Prozent. Was steigt, ist sicherlich das Bewusstsein bei Männern für die Thematik: Zu den prominenten Unterstützern des Gender Report gehören der Regisseur Gregor Schmidinger, Josef Hader oder Karl Markovics, der bei den Filmen Superwelt (2015) und Nobadi (2019) selbst auf rein männliche Kernteams gesetzt hat.

Austritte aus Regieverband

Die inhaltliche Analyse von zwölf ausgewählten Produktionen ergab schließlich, dass weiblich verantwortete Filme durch die Bank mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit bei der Rollenbesetzung und -darstellung aufwiesen. "Filme von Frauen waren nicht nur frei von Sexismen, sie reflektierten auch häufiger die Ungleichverhältnisse – sie bildeten eine vielfältige Gesellschaft klischeefrei ab", resümierte Birgit Moldaschl vom ÖFI.

Von der neuen 50:50-Quote erwartet man sich bereits im nächsten Gender Report Ergebnisse. "Es ist ein bisschen peinlich, dass die Diskussion so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist", sagte Rudolf Scholten, Vorstandsvorsitzender des ÖFI, in Anspielung auf die Austritte beim Regieverband. Die Quote sei notwendig, denn nur abzuwarten führe zu "Verzögerungen über Generationen". Der Filmbereich, so Scholten, könne jetzt eine Vorbildfunktion für andere Sparten der Kunstförderung einnehmen, die noch keine derartigen Regelungen hätten. (Stefan Weiss, 11.11.2021)