Vollkommen zufrieden kann der Innenminister mit sich nicht sein, entschuldigte er sich doch dafür, das jüngst im Bezirk Baden ausgehobene Zeughaus nicht irgendwelchen Linken zuordnen zu können. Er wolle nicht, dass man ihm – Gott behüte! – Einseitigkeit unterstelle, aber "die, die Waffen sammeln, finden wir nicht bei den Linksextremisten". Er sollte sich da ein Beispiel am ehemaligen Bundeskanzler nehmen, der keine Mühe hatte, in der Justiz "linke Zellen" aufzudecken, die mit ihren Waffen Jagd auf die ÖVP machen. Deren Arsenal reichte, noch gar nicht wirklich durchgeladen, aus, die Volkspartei in eine massive Krise zu stürzen. Da sollte doch die Frucht neonazistischen Sammelfleißes dasselbe für die Republik leisten können, wie Karl Nehammer es als aufdeckerisches Verdienst in Anspruch nahm, ohne Unschuld vermutend einzuflechten, es könnte sich noch immer herausstellen, dass es sich bei dem Waffenlager um eine Außenstelle des Heeresgeschichtlichen Museums handelt.

Leider ist von einer Regierung unter Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) kein entschiedenes Handeln zu erwarten.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Der Vorwurf der Einseitigkeit, den Nehammer so innig beschwört, wäre gar nicht erst aufgetaucht, hätte der Sammler seine Leidenschaft nicht mit Hitlers Mein Kampf und dem Völkischen Beobachter, sondern mit Marxens Kapital unterlegt und so eine Zuordnung der Kollektion ermöglicht, die jeden völkischen Beobachter von der Vielseitigkeit eines türkisen Innenministers überzeugt. Genug Waffen habe man entdeckt, um "die Republik in eine massive Krise zu stürzen", schoss der Innenminister mit einer Behauptung zweimal am Ziel vorbei.

Rechtsextremistische Flatulenzen

Es sind jedoch nicht die Waffen, sondern jene, die sie horten, um sie bei Gelegenheit einzusetzen, die den Staat gefährden. Und die Republik befindet sich bereits in einer Krise, zu einem Teil mitverursacht von den Gesinnungsgenossen der Waffensammler in politischen Positionen, zum anderen Teil von jenen, die ihnen höchstens halbherzig entgegentreten oder sich sogar koalitionär mit ihnen verbünden, weil es bequemer ist.

Zur angeblich längst bewältigten Corona-Pandemie hat sich eine Pandemie der Verantwortungslosigkeit gesellt, wo man nur mit den Schultern zuckt, wenn das Recht auf freie Meinung mit rechtsextremistischen Flatulenzen eingefordert wird. Wenn ein rassistisch grundierter Obskurantismus sich ungestraft anmaßen kann, gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis Hohn zu sprechen, während Ärzte und Spitalspersonal kaum noch wissen, wie sie mit den Folgen dieses hartnäckigen Bestrebens, die Bevölkerung aus parteipolitischen Motiven zu spalten, fertigwerden sollen.

Eingerissen sind diese Zustände unter Kurz als Bundeskanzler, dessen erratische Versuche, die Pandemie zu bekämpfen, seiner persönlichen Öffentlichkeitsarbeit untergeordnet waren. Er hat es damit einem Herbert Kickl erleichtert, das Einzige zu versuchen, was er kann – Zwietracht zu säen, in der Hoffnung, es werde ihm nutzen. Beider Glück ist, dass der Schaden, den sie damit angerichtet haben, zwar enorm, aber schwer zu beziffern ist. Dass die FPÖ staatliche Parteienförderung erhält, ist so, wie sich die Pandemie entwickelt, eine obszöne Vorstellung, aber realistisch. Leider ist auch von einer Regierung, deren Chef sich als Platzhalter für Kurz versteht, entschiedenes Handeln nicht zu erwarten. (Günter Traxler, 11.11.2021)