Über die Landespolitik und ihre Wankelmütigkeit kann man sich nur wundern. Die Rat- und Ahnungslosigkeit, mit der sich die Landeshauptleute von Oberösterreich und Salzburg, Thomas Stelzer und Wilfried Haslauer, am Mittwoch an die Öffentlichkeit gewandt hatten, war schmerzhaft. Die Hilflosigkeit, die die beiden Landespolitiker ausstrahlten, schadet nicht nur ihrer eigenen Reputation, sondern untergräbt generell das Ansehen der Politik. Immerhin scheint es ihnen jemand gesagt zu haben. Zumindest in Oberösterreich rang sich der Landeschef am Donnerstag dazu durch, auf das aktuelle Infektionsgeschehen zu reagieren und einen Lockdown für Ungeimpfte ab Montag zu verkünden. Binnen eines Tages hat Stelzer eine Kehrtwende vollzogen. Verwunderlich, aber es ist nie zu spät, dazuzulernen.

Die Situation in den Intensivstationen wird immer prekärer.
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In Salzburg und Oberösterreich steigen die Infektionszahlen besonders stark. Das ist eine bedrohliche Entwicklung, die in diesen Ländern derzeit mehr Dynamik hat als anderswo. Ganz allgemein wird die Situation in den Intensivstationen immer prekärer, freilich nicht nur in Salzburg oder Oberösterreich. Aber dort auch. Die Versäumnisse liegen auf der Hand: schlechte Vorbereitung, das Totschweigen aus wahltaktischen Gründen, ein grottenschlechtes Test- und Impfangebot, keine Kontaktverfolgung und Politiker, die so tun, als wäre das alles egal. Das vermittelt der Bevölkerung einerseits ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil man eh nichts tun kann, andererseits auch ein Gefühl der Wurstigkeit, weil man offenbar nichts tun muss.

Beides ist falsch. Man kann und soll etwas tun. Die Politiker auf allen Ebenen müssen das mittragen und vermitteln. Zuletzt gab die Politik ein allzu schlechtes Vorbild ab, zögerlich, uneinsichtig, unflexibel, verbohrt.

Lockdown für Ungeimpfte

Haslauer gab in einem Anfall intellektueller Erschöpfung den Virologen die Schuld. Deren Interesse sei es, die Leute einzusperren. Die sterben dann an Depression, Hunger oder Durst. Wie dumm und wissenschaftsfeindlich kann man sein? Wem ist damit geholfen, die Diskussion auf eine derartig lächerliche Ebene zu bugsieren? Sein oberösterreichischer Kollege Stelzer stellte sich am Mittwoch noch hin und beruhigte alle, man habe ohnedies Kapazitäten auf den Intensivstationen. Den Herren war der Ernst der Lage offenbar nicht bewusst. Hier geht es tatsächlich um Menschenleben, nicht nur im übertragenen Sinn.

Was auch immer über Nacht passiert ist: Oberösterreich reagiert jetzt. Es gibt einen Lockdown für Ungeimpfte. Alle Veranstaltungen werden für die nächsten Wochen zudem abgesagt. Der freiheitliche Koalitionspartner wird toben, aber Stelzer setzt den richtigen Schritt. Es wäre falsch, sich hier auf verfassungsrechtliche Bedenken auszureden. Es braucht jetzt auch unpopuläre Maßnahmen und kurzfristige Entscheidungen, um auf die Pandemie zu reagieren. Die Politik hat insgesamt viel zu lange zugewartet und die absehbare Entwicklung unterschätzt. Wenn sich die Politiker nicht dazu aufraffen können, den Ernst der Lage zu erkennen und zu benennen, wie soll man dann von der Bevölkerung erwarten, in der Bekämpfung der Pandemie sinnvoll mitzuwirken? Daher ist es umso wichtiger, jetzt Klartext zu reden.

Das Recht auf Gesundheit wiegt hier mehr als die "Freiheit" von Menschen, die sich höchst uneinsichtig und unsolidarisch verhalten. Auf der Intensivstation werden sie mit dieser Freiheit nichts mehr anfangen können. (Michael Völker, 11.11.2021)